Wednesday, August 22, 2007

19. August - ein Schulmorgen und eine Fiesta


Ein herzliches Hola aus dem Dschungel!


Es ist Sonntagabend um 19.00 Uhr, ich sitze mit Heiko, Jana und Bettina an unserem Stuben- bzw. Küchentisch. Da es heute sonnig war, haben wir elektrisches Licht. Trotzdem flackert noch eine Kerze in einer Weinflasche, die als Halter dient. Wir finden es so gemütlicher. Draussen hört man Grillen, Frösche und Fledermäuse (und sicher noch andere Tiere, ich habe einfach das Ohr dafür noch nicht). Es ist angenehm warm, 25,7 Grad, und auch die Luftfeuchtigkeit wird den Tropen gerecht: heute 82%.

Anja liegt oben im Estrich, der unser eigentliches Zimmer ist und den wir mit Bettina teilen. Sie ruft ab und zu nach mir, dann singt sie wieder. Ich möchte sie langsam daran gewöhnen, dass sie ohne mich einschläft. Die Tage sind sowieso sehr kurz, und da die Nacht schon um 18.30 Uhr anfängt, hat man um neun bereits das Gefühl, ins Bett gehen zu müssen. Deshalb brauche ich die zwei bis drei Stunden am Abend ganz für mich, zum Beispiel um einen Blogeintrag zu schreiben.
Ich möchte euch gerne das Wochenende ein bisschen zusammenfassen, angefangen beim Freitag. Nicht nur, weil ich euch wissen lassen möchte, wie die Tage bei uns so vergehen. Sondern auch, weil es für mich schön ist, schwarz auf weiss nachzulesen, was wir hier eigentlich alles erleben. Tagsüber scheint mir vieles oft schon alltäglich, erst wenn ich nachts im Bett darüber nachdenke, wird mir bewusst, wie aussergewöhnlich es in Wirklichkeit ist – immer verglichen mit der Schweiz.

Freitag, 17. August

Am Morgen um 6.00 Uhr stehen Heiko und Jana auf und setzen das Wasser für die Avena, eine Art Haferbrei, auf. Anja hört den Wecker der beiden und wiederholt von dem Moment an für die nächste halbe Stunde immer wieder: „Stöh mir jetz uf, he? Mueti, wei mir ou ufstoh? Mueti!“ Ich brauche keinen neuen Wecker, mein persönlicher ist sehr zuverlässig… Wir essen alle zusammen Frühstück, meist selbstgebackenes Brot mit Butter und Marmelade, neuerdings auch noch Joghurt, das wir uns in Tena leisten und in die Selva schleppen. Um viertel nach sieben kommt das Schulkanu, dann gehen die Maestras, der Profe und Anja mit der Avena zum Schulhaus hinauf. Ich bleibe noch im Haus, räume das Morgenessen weg, damit wir mittags keine Ameiseninvasion vorfinden, wische den Boden aus demselben Grund, und mache mich um halb acht auch auf den Weg. Das Schulhaus und der Kindergarten sind nur zwei Minuten vom Lehrerhaus entfernt.


Um viertel vor acht läuten wir – wir schlagen mit einem Besenstiel an eine Glocke, die an der Decke hängt. Alle Kinder müssen zuerst noch ihre Füsse waschen, die vom Fussballspielen meist völlig verschlammt sind. Weil wir nur ein Waschbecken für 30 Kinder haben und weil Kichwas sowieso nicht unbedingt die schnellsten sind, dauert das jeweils. Wir beginnen den Morgen mit einem gemeinsamen Singen. Danach ist „regulärer“ Unterricht in den Klassen, das heisst, ich arbeite mit der Oberstufe. Auf das Schulegeben müsste ich einmal intensiver eingehen, das ist ein Kapitel für sich. Was aber nebst dem Unterricht alles so passiert, ist auch erwähnenswert. Zum Beispiel in der grossen Pause:

Während der Pause war eine Gonga, ein Riesenameise, auf der Terrasse. Vor der haben auch die Indianerkinder Respekt, denn das ist eben die, die einem mit einem Biss für 12 Stunden Schmerzen zufügen kann. Einer der Kindergärteler rief dann: „Oh, Gonga, kaputt machen.“ Und dann hat er sie mit seinen Flipflops zertreten. Die Gonga ist gefährlicher als ein Skorpion – nur damit ihr die Geschichte richtig einschätzen könnt.

Zwei Schwestern, die Zaida und die Sulai, hatten den Kopf voller Läuse. Die Pausenbeschäftigung der anderen Mädchen bestand darin, sie von denen zu befreien. Die Schwestern hielten den Kopf geduldig gesenkt, während die anderen emsig den Haarboden absuchten und mir jede einzelne Laus zeigen wollten, was ich sehr lehrreich fand, weil ich tatsächlich noch nie Läuse gesehen habe.

Um ein Uhr ist die Schule aus. Wir Lehrer sind dann jeweils sehr hungrig: Den Kindern drei Mal beim Essen zuzuschauen (Frühstück, Pausenfrucht, Mittagessen) macht Appetit.

Huh, eben ist mir eine Kakerlake (zeigfingergross) in den Ausschnitt gefallen. Läck, bini jetz verchlüpft!

Heiko und Jana verliessen den Amazoonico mit dem Schulkanu in Richtung Tena. Sie wollten das ganze Wochenende dort verbringen, Einkäufe machen und ein bisschen Privatsphäre geniessen. Nur verständlich, weil wir ja schon eng aufeinander leben. Auch ich habe es genossen, in unserem kleinen Haus mehr Platz zu haben.

Nach dem Essen in der Amazoonico-Küche schlief Anja in unserem Haus in der Hängematte ihren Mittagschlaf. Wir zwei Frauen deckten uns in der Amazoonico-Küche mit Essproviant ein, denn freitags kommen immer die neuen Nahrungsmittel. Bettina buk zwei Kuchen für das Volontärsfest in Olivias Haus, das am Abend steigen sollte. Und ich wusch die Wäsche (von Hand in der Badewanne) und reinigte das Klo, was auch dringend nötig war.

Die Fiesta war unterhaltsam und es gab viele Leckereien. Ich nahm Anja mit, konnte aber natürlich mit ihr nicht bis zum bitteren Ende bleiben, was vielleicht gar nicht so schlecht war. Da die Volontäre hier einen ziemlich harten Job machen und dafür auch noch bezahlen müssen, kennen sie beim Feiern dann keine Grenzen. Und so sahen sie am Samstagmorgen auch aus.

1 comment:

Brigitt said...

Als ich heute mit Anne telefonierte und sie mir erzählte, dass Anja sehr gerne in den Kindergarten geht und ich diese Nachricht sofort Elena weitererzählte, fragte sie wieso Anja schon in den Kindergarten gehen könne? Wieso? Fängt der Kindergarten da jünger an, oder ist es für Anja eine Ausnahme. Anja auf diesem Foto, im Kreis ist für mich als Gotti doch auch ein rührender Moment. Ich bin stolz auf mein weit gereistes Gottimeitli. Drückeli für Anja.