Wednesday, October 31, 2007

Galapagos - Seelöwen








Was ich nie, nie mehr vergessen werde, weil es Diego immer wieder erwähnte, ist Folgendes: Seehunde haben keine sichtbaren Ohren, Seelöwen aber schon. Und weil man bei den Säugern auf Galapagos die Ohren sieht, sind es Seelöwen.
Die Männchen kann man durch die nach vorne gewölbte, markante Stirne unterscheiden. Die Bullen haben einen Harem, den sie zusammenhalten und verteidigen.
Da die Seelöwen auch keine Scheu vor den Menschen zeigen und oft einfach faul am Strand liegen, wenn sie nicht gerade fischen, mussten wir aufpassen, dass wir nicht über die Tiere stolperten. Nur auf einer Insel waren die Seelöwen ein wenig aggressiv. Ich hörte zwei Erklärungen dafür: a) Weil die Insel zu häufig von Touristen besucht werde b) Weil die Mütter aufnahmefähig wären, die Bullen also wilder, und sie gleichzeitig die Jungen entwöhnen wollen, welchen das natürlich nicht passt.


Bei einem Tier am Strand konnten wir einen Haibissabdruck erkennen, der vernarbt war.
Immer wieder gruselig und zugleich faszinierend waren die eher mumifizierten denn verwesten Tierkadaver. Der Tod muss nicht im Versteckten agieren auf Galapagos.


Das für mich schönste Erlebnis mit den Seelöwen war aber zweifellos das Schnorcheln mit diesen geschickten Schwimmern. Sie waren so nah, dass ich sie hätte berühren können und es schien ihnen Spass zu machen, um mich herum zu schwadern. Zwischendurch hielten sie inne und schauten mich mit ihren schwarzen Kugelaugen unter Wasser an. Unvergesslich.

Galapagos



Es ist jetzt halt schon eine Weile her, trotzdem würde ich euch gerne noch ein paar Eindrücke unserer Ferien auf den berühmten Galapagos schildern. Halt vielleicht nicht so ausführlich, wie es diese Nationalpark-Inseln verdienen würden. Denn inzwischen ist schon wieder so viel passiert, dass die Ferien bereits weit weg scheinen. Gleich nach dem Galapagos-Urlaub war ich eine Woche in Quito und erlebte mit Anja nebst Zahnarzt und Kieferchirurg sehr viel Interessantes. Dann reisten wir zurück in den Dschungel, wobei die Busreise wie immer ein Abenteuer war und an und für sich schon einen Blogeintrag wert wäre. Auch die ersten zwei Schulwochen waren abwechslungsreich und gefüllt mit spannenden Ereignissen. Und im Moment sind Bettina, Anja und ich in Baños und geniessen ein langes Wochenende (Allerheiligen und Allerseelen). Mehr dazu aber später.

Bettina und ich hatten uns sehr kurzfristig für die Galapagos entschieden. Angelika hat uns an das Reisebüro Cometa Travel weitervermittelt, mit dem wir dann wirklich gute Erfahrungen machten und deren Chefinnen Maya und Bruna mir später in Quito bei den vielen Arztbesuchen eine grosse Unterstützung waren.
Die Ferien waren nicht billig und wir haben uns im Vorfeld auch Gedanken darüber gemacht, ob man den Galapagos-Tourismus überhaupt unterstützen sollte, weil er der endemischen Inselwelt erwiesenermassen schadet. Die vorherrschende Meinung hier ist, dass es den Nationalpark ohne Touristen überhaupt nicht geben würde, da die ecuadorianische Regierung kein Interesse hätte, ein Naturschutzprojekt aufrecht zu erhalten, das nicht gewinnbringend ist.

Anja und ich fuhren bereits am Freitag mit dem Bus nach Tena, damit für Anja die lange Reise nach Quito etwas gestaffelt war. Während der Fahrt nach Tena merkte ich plötzlich, wie sehr wir uns schon aneinander gewöhnt hatten. Bettina fehlte und es war seltsam, so alleine mit Anja zu reisen. Am Samstag stiess sie dann aber zu uns und gemeinsam nahmen wir die Reise nach Quito unter die Räder, nicht nachdem ich in Tena noch ein paar neue Schuhe gekauft hatte. (Das andere Paar, meine schönen, roten Lederschuhe, hatte die Dschungelfeuchtigkeit nicht überlebt und landete, mit Grauschimmel überzogen, im Abfallfeuer). Wir kamen erst etwa um 20.00 Uhr in der Hauptstadt an, bestellten uns ein Taxi und assen in La Mariscal (Gringolandia) ein gutes Nachtessen. Eigentlich wollten wir im Hostal des Reisebüros Cometa übernachten, hatten aber keine Ahnung, wie wir dieses finden sollten. So checkten wir uns im erstbesten Hostal ein, einem Hotel, das die Zimmer auch stundenweise vermietete.

Am Morgen früh ging der Flug nach Galapagos. Anja konnte sich noch gut an den Flug mit Grövu von der Schweiz nach Ecuador erinnern und erzählte zwischendurch kleine Müsterchen. Am meisten freute sie sich natürlich auf das Essen. Während Anja ein bisschen unter Ohrendruck litt, hatte ich, wie immer, etwas Flugangst. Es bleibt ein Rätsel, warum ich damals die Flightattendant-Ausbildung gemacht habe. Es ging aber alles gut und, so kitschig es auch sein mag, auf der Landepiste kam uns gleich ein schwarzer Landleguan, ein Drache, entgegen.

Die Crew auf der kleinen Yacht Angelito war professionell und für ecuadorianische Verhältnisse erschreckend pünktlich. Nebst unserem Nationalparkführer Diego, der leidlich Spanisch und Englisch sprach, waren noch Köche, Mechaniker, Matrosen, ein Kellner und ein Kapitän für unser Wohl zuständig.
Auf dem Schiff waren 8 Doppelzimmer, Anja und ich teilten die kleine Kajüte mit Bettina. Die anderen Reiseteilnehmer waren: Jean-Claude und Barbara, ein Schweizerpaar aus Biel, das uns später im Amazoonico besuchen kam, drei weitere Schweizer, ein Australier, ein in den Staaten lebender Israeli mit seinem 13jährigen Sohn, eine amerikanische Botschaftsangestellte, die in Venezuela arbeitet (und den Auftrag hat, der venezuelischen Bevölkerung die amerikanische Kultur näher zu bringen), mit ihrem dänischen Freund, zwei Schwule aus Spanien und Willy, ein Ecuadorianer. Es entstanden immer wieder spannende Gespräche und ich genoss die Zeit mit diesen verschiedensten Leuten sehr. Da Anja das einzige Kleinkind weit und breit war, wurde sie von allen ein bisschen verwöhnt. Nach dem Unfall selbstverständlich erst recht.

Die Tage auf dem Schiff liefen alle ähnlich ab.
Meistens nachts fuhren wir zu einer neuen Insel. Anja und ich schliefen erstaunlich gut, obwohl der Wellengang das Schiff manchmal recht zum Schaukeln brachte.
Dann folgte, oft schon sehr früh, was meiner Tochter sehr entgegen kam, ein reichhaltiges Frühstück.
Morgens ging es mit einem Beiboot zu den Inseln, entweder mit einem Wet oder einem Dry Landing (entweder wurden die Füsse nass oder nicht). Auf allen Inseln ist die Route abgesteckt, welche die Touristen begehen dürfen. Wir hatten immer genug Zeit, die Tiere, Pflanzen, die ganze Landschaft anzuschauen und zu geniessen und Diego, unser Guía, lieferte die Hintergrundinformationen.
Meistens gab es morgens noch einen Schnorchelgang, bei dem ich auch mitmachen konnte, wenn Bettina oder sonst jemand anbot, auf Anja aufzupassen. Da das Wasser relativ kühl ist, (der kalte Humboldt-Strom ist ja ein wichtiger Faktor für das besondere Klima der „verzauberten Inseln“), zogen wir einen Neopren an.
Auch das Mittagessen war immer lecker, mit viel einheimischem Gemüse und einer landestypischen Suppe.
Am Nachmittag stand entweder Baden, Schnorcheln, ein weiterer Inselgang oder Weiterfahrt mit dem Schiff auf dem Programm.
Gegen Abend wurden wir über den Ablauf des nächsten Tages ins Bild gesetzt und über die Besonderheiten der jeweiligen Insel informiert. Jede der Galapagos-Inseln hat eine für sie typische Tier- und Pflanzenwelt und eine andere Entstehungsgeschichte. Pflanzen und Tiere, die nur an einem bestimmten Ort der Welt vorkommen, nennt man endemisch. (Der letzte Satz ist mir so rausgerutscht, ich kann halt auch nicht aus meiner Haut… hihi.)
Für das Nachtessen warf sich der Kellner in Schale und servierte ein gutes Mahl. Am letzten Tag hat sich das ganze Küchenteam nochmals besonders Mühe gegeben, wie die Fotos zeigen.
Nach dem Essen sass man dann meist noch ein Weilchen zusammen und plauderte.

Ich erlebte diese 8 Tage als ganz besondere Tage. Mir gefiel vor allem die Landschaft, diese öden Vulkaninseln mitten im Pazifik, die so viel Leben zulassen. Mich beeindruckte die geologische Geschichte der Eilande und natürlich die spannende Vergangenheit mit Piraten, Walfängern und „Weltkrieglern“. Die Fauna ist faszinierend, unter anderem, weil die Tiere keine Feinde kennen, deshalb beinahe zahm sind und sich von so nah betrachten lassen. Oft wirkten die Tiere in dieser Lavalandschaft wie die Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit, die sie ja zum Teil auch sind.
Und obwohl ich oft nicht bei der Gruppe war und hören konnte, was Diego erzählte, weil ich mit Anja am Sandele war, und obwohl Anja hier ihre zwei Schneidezähne verloren hatte, lohnte sich die Investition Galapapos auf jeden Fall. Allerdings denke ich, dass ich das Wunder Galapagos erst dann so richtig schätzen könnte, wenn ich auch mehr wüsste. Als Laie, ohne die ganzen biologischen und geologischen Hintergründe zu kennen, sieht man halt nur die Spitze des Eisberges.
Etwas zu denken gab schliesslich dann halt doch noch der Tourismus. Die Touristen schleppen unausweichlich Sand, Samen und kleine Tiere von der einen Insel zur anderen und gefährden so die einheimischen Arten. Das Abwasser aller Touristenboote wird ins offene Meer gelassen, jeden Tag jeten etliche Flugzeuge nach Baltra, der Flugplatz-Insel der Galapagos. Allerdings muss auch ich zugeben: wären die Touristen und somit das internationale Interesse nicht auf den Inseln, würden diese in kürzester Zeit besiedelt (noch unkontrollierter als es leider jetzt schon passiert) und die Rote Krabbe wäre ein willkommener Schmaus auf jedem gedeckten Tisch. Es bleibt zu hoffen, dass der Tourismus tatsächlich das kleinere Übel ist.

In den nächsten Blogeinträgen werde ich vor allem Fotos zu einem Thema erläutern. Wenn jemand Fragen, Anregungen oder auch Korrekturen hat (schliesslich waren einige von euch ebenfalls schon da), meldet euch bitte mit einem Kommentar, dafür ist er gedacht.

Thursday, October 18, 2007

Zwischenhalt Quito

¡Hola amigos!

Wir waren auf Galapagos.... und es halt sich trotz allem gelohnt!
Wir durften nämlich nicht nur die unglaubliche Tierwelt auf diesen ziemlich kargen und trotzdem wunderschönen Inseln kennen lernen, sondern mussten uns auch von Anjas kleinen Schneidezähnen verabschieden. Eine erste ärztliche Behandlung bekam Anja schon auf den Galapagos selbst, in Puerto Ayora. Letzten Montag waren wir hier in Quito bei einem guten Zahnarzt. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr in der feuchten Urwaldluft sitzen wir seit fast einer Woche in dieser Stadt fest.

Wir logieren im sympathischen Hostal von Cometa Travel, unserer Galapagosreiseagentur. Die Chefin hier, die Schweizerin Maya, macht uns den ungewollten Aufenthalt so angenehm wie möglich. (Das Frühstück ist der Hammer!) Da es Anja verhältnismässig gut geht und ihr die Wunde keine Schmerzen bereitet, können wir die Hauptstadt auch in aller Ruhe geniessen.

  • Wir haben in einem grossen Einkaufszentrum ein Zusammensetzspiel für Anja eingekauft und auch sonst einiges "gänggelet", das wir im Dschungel entbehren müssen. Zum Beispiel....
  • ...wir leisten uns jeden Tag ein Eis.
  • Wir staunen ob der grossen Leimdose mit Pinsel, die in der Post auf einem Tisch steht. (Damit der Kunde die Briefe und Pakete zusammenleimen kann.)
  • Die Stadt ist grüner, als sie im Sommer war, und es stinkt weniger, da momentan Regenzeit ist. Nach dem vorgestriegen Regenguss, brach das Chaos aus. Das Wasser der ganzen asphaltierten Stadt läuft in die im Tal gelegenen Viertel, wo sich die Unterführungen und Garagen füllen.
  • Wir gehen jeden Tag in den Park Carolina, wo sich Anja auf dem Spielplatz austobt. Ich merke, dass ich viel ängstlicher geworden bin und Anja in Gedanken immer wieder fallen und sich verletzen sehe. Sie hingegen scheint überhaupt kein Trauma wegen ihres Unfalls zu haben. Sie klettert ungebremst, wie sie das im Dschungel gelernt hat.
  • Ich wurde sogar schon von einem ecuadoriansichen Fernsehn zum Thema "Können Clows, die im Spital Leute zum Lachen bringen, heilen?" interviewt. Ich bin auf Englisch Red und Antwort gestanden.
  • Ich schaue im Supermarkt auf den Preisschildern wie die Früchte heissen, die wir im Dschungel manchmal essen.
  • usw.

Trotzdem hoffen wir, dass wir bald wieder nach Hause in den Dschungel dürfen. Dies hängt von der Diagnose des Zahnarztes Mena ab, den wir morgen zum zweiten Mal aufsuchen.

Selbstverständlich werde ich einen Bericht über die Galapagos schreiben, illustriert mit passenden Fotos. Er wird aber ganz ecuadorianisch noch ein bisschen auf sich warten lassen.

Bis bald,
Anne mit Anja

Monday, October 15, 2007

Schulreise

Dienstag, 2. Oktober

Schulausflug, Tena

Wir verbrachten diesen Tag mit dem SYH (allerdings ohne Kindergarten, aber mit Anja und Kayla), mit Christine von Steiger und ihren vier Schweizerschülern in Tena. Schon bei der Busfahrt in die „grosse“ Stadt merkte der geübte Beobachter ein paar Schülern an, dass dies nicht Alltag war. Einige sprachen kein Wort mehr, andere sagten immer wieder: Schau, Maestra, schau… und die dritten nahmen plötzlich eine Hand einer Maestra und liessen diese nicht mehr los. Die älteren Schüler waren wohl schon mehrmals hier, sie zeigten sich denn auch weniger beeindruckt.
Wir hatten gemeinsam einen Orientierungslauf organisiert, auf den wir die Schüler nach einem Almuerzo (Mittagsmenu) für 1.50$ nun in Gruppen schickten. Wir überforderten unsere Indianerkinder mit den Aufgaben. Viele der Kleinen gingen die zweite Runde schon gar nicht mehr mit, kletterten stattdessen lieber auf die Bäume, die am Rio Pano stehen, und assen einen Apfel. Im Laufe des Nachmittags tauchten plötzlich Ralf und Nadine auf, zwei ehemalige Dschungellehrer (04/05), die hier ihre Ferien verbringen wollen. Die Schüler grüssten, als sei dies nichts Aussergewöhnliches: Hallo, Profe Ralf, hallo, Maestra Nadine. Als hätten sie die beiden erst gestern noch gesehen. Und wir staunten einmal mehr über die Kulturunterschiede… Es ist so, wie es ist. Ralph und Nadine sind da. Fertig.

Nach diesem für die Kinder und für uns anstrengenden OL war Baden oder Einkaufen angesagt. Die Älteren entschieden sich für Letzteres, ich ging mit den Jüngeren baden. Weil die Zeit dann noch gut reichte, gingen auch wir auf Einkaufsbummel. Von den 5 Indianerkindern (1. und 2. Klasse) hatten zwei kein Geld von den Eltern mitbekommen, ich schenkte ihnen je 50 Centavos. Keines der beiden bedankte sich. Es ist so, wie es ist. Vorhin hatte ich keine Centavos, jetzt habe ich Centavos. Fertig. Es fiel mir auf, dass die Kichwakinder die Prioritäten beim Einkaufen völlig anders setzten als wir. „Ich will kaufen“ hiess es immer wieder. Und dabei schien es vollkommen egal zu sein, was. So nach dem Motto: Ich habe Geld, das gebe ich aus. Mein Vorschlag, doch das Geld bis Morgen zu sparen, falls sie nichts Vernünftiges fänden, und sich dann ein Eis zu kaufen, stiess auf Unverständnis. Warum bis Morgen warten, wenn man schon heute etwas kaufen könnte? Die Idee des Sparens, des Einteilens von Geld, ist ihnen fremd. Und so fanden sich am Abend im Hostal dann Spielzeuge, die getrost im Ladenregal hätten bleiben dürfen und aus deren Kaufspreis man viele sehr nützliche Dinge für einen indianischen Haushalt hätte kaufen können. Aber warum den Haushalt aufbessern, wenn er so ja funktioniert? Er ist so, wie er ist. Fertig.
Die Kinder übernachteten immer zu zweit in einem Bett. Und obwohl die meisten zu Hause auf dem nackten Boden schlafen (oder während der Schulfiesta im Bücherregal), nahmen sie die weichen Matratzen gelassen hin. Es ist eben so, wie es ist. Heute weiche Matratzen, Morgen Betonboden. Fertig.
(Ihr merkt, ich wiederhole mich. Aber diese komplett andere Sichtweise unserer Indianerkinder erstaunt mich immer wieder. Und diese Sichtweise ist auch der Grund, warum Kichwakinder kaum zu beeindrucken sind.)

Mittwoch, 3.Oktober

Schulausflug, Misahualli


Nach einer Avena, die übrigens immer Heiko macht, obwohl er sie nie selber essen würde, ging es mit dem Bus nach Misahualli. Dieses kleine Dorf ist ähnlich gross wie Ahuano, aber mit etwas Tourismus.
Aus dem Reiseführer (noch nicht genutzten Wald) gibt es hier so gut wie keinen mehr, jedoch teils „wiederbelebten“ Sekundärwald, der dazu einlädt, die Flora und unzählige tropische Vögel, Insekten und sonstige Bewohner des Regenwaldes zu studieren. Am Strand des Ortes lassen sich oft Affen (>sehr freche Kapuziner) beobachten. Die Unterkünfte der kleinen Ansiedlung sind bescheiden, angepasst dem Leben im Regenwald. Der sonntägliche Markt lässt den sehr ruhigen Hafen von Misahualli aufleben: Viele Indianer aus der nahen Umgebung erscheinen, um ihre Einkäufe zu tätigen.
Am Fluss befindet sich ein kleiner Bootssteg und die Hafenbehörde registriert jeden Besucher (>warum uns nicht? Wohl weil „jeden registrieren“ auf ecuadorianisch „jeder zehnte reicht“ heisst) vor der Fahrt auf dem Río Napo und gibt mit einem Passstempel grünes Licht für eine Reise auf den Spuren von Francisco de Orellana.
In Misahualli besuchten wir eine öffentliche Schule, was ein sehr ernüchterndes (schon fast wieder erheiterndes) Erlebnis war. Es ist unglaublich laut in diesen Klassenzimmern, die Kinder rennen umher, schwatzen oder beschäftigen sich anderweitig. Schüler und Lehrer schreien. Eine Antwort wird vom Lehrer nur dann akzeptiert, wenn sie von der ganzen Klasse laut gerufen wird. Der Lehrer selbst erlaubte sich an der Tafel einen spanischen Rechtschreibefehler, der Cristian, einer meiner Schüler, auch gleich bemerkte. Das Ganze war so chaotisch, dass es uns Europäer unmöglich dünkt, in einer solchen Atmosphäre überhaupt etwas zu lernen. Fazit: Auch wenn ich im SYH mal nicht so gut Schule gebe, meine Didaktik und Methodik hinterfragt werden kann, der Unterricht wird auf jeden Fall immer noch besser sein als der in der öffentlichen Schule. Und das beruhigt doch ungemein, auch wenn ich nicht vorhabe, mich deswegen weniger zu engagieren.
Nach einer sehr leckeren Merienda (Unter anderem Yukafladen! Ich liebe es) war Baden am schönen Sandstrand von Misahualli angesagt. Die Schüler spielten mit toten Fischen
(höchstwahrscheinlich leider „Abfälle“ vom Dynamitfischen), buddelten sich ein, schwammen und planschten. Auch Anja war begeistert mit von der Partie, auch wenn sie nach diesen anstrengenden Tagen doch recht müde war. Für 120 Dolares kauften wir uns zwei Kanufahrten von Misahualli den Napo runter und den Arajuno rauf. Diese Bootstour erwies sich dann als Erlebnisparcours, weil die Motoristas eine frühe Zwischenverbindung von Arajuno und Napo nehmen wollten, um Weg und damit Treibstoff zu sparen. Dieser Verbindungslauf war aber nicht schiffbar und so mussten wir einige Male aussteigen und, mit den Hosen im knietiefen Wasser, das Kanu stossen helfen. Da die Motoristas auch sonst nicht unbedingt kompetent schienen, ereigneten sich noch weitere unterhaltsame Zwischenfälle (das Boot kippte fast, wir verpassten die Anlegestelle, weil nicht richtig manövriert wurde, wir nahmen den falschen Wasserlauf und gerieten in Rückstand…).
Ich fand die beiden Tage sehr spannend und lehrreich, aber auch anstrengend. Da Christine von Steiger, die Besitzerin der Schule da war, wusste ich nie, ob die Entscheidung/ Organisation nun bei mir läge oder bei ihr. Folglich mischten alle Lehrer etwas mit, und da immer wieder „bilateral“ etwas abgemacht wurde, waren selten alle Lehrkräfte auf dem gleichen Informationsstand. Und so mussten wir viel mehr improvisieren, als wenn jemand alleine die Verantwortung gehabt hätte.
Informationsaustausch, das war für mich sowieso das Thema, das noch angeschnitten werden musste. Und tatsächlich fand sich am Abend noch Zeit, all die Punkte, die schon länger unter den Fingernägeln brennen, mit Christine zu besprechen.

Saturday, October 6, 2007

Casa del Suizo








Montag, 1. Oktober

Nach einem kurzen Wochenende in Tena, das etliche Skypetelefonate und E-Mails in die Schweiz und einige Restaurantbesuche beinhaltete, war heute Morgen Aufräumen angesagt. Das Fest hatte in der Schule seine Spuren hinterlassen, und obwohl Heiko und Jana am Samstag das Gröbste (Erwachsenenmüll aller Art) aufgeräumt hatten, gab es noch einiges zu tun.
Wir liessen ausnahmsweise die Nachmittagsstunde ausfallen, da uns Christine zum Essen im Casa del Suizo eingeladen hatte. Statt zu Fuss die Isla Anaconda zu überqueren (etwa 4 Kilometer) entschied sich Christine für eine Kanufahrt, die einen ziemlich Umweg bedeutete, aber wunderschön war. Wir fuhren zuerst einige Kilometer flussabwärts, bis der Arajuno in den Napo mündet. Von dort dann den Napo aufwärts bis nach Ahuano, einem kleinen Dörfchen. Kanufahren finde ich etwas vom Schönsten. Rechts und links den Urwald vorbei ziehen und die Gedanken schweifen lassen, es geniessen, in diesem Moment hier sein zu dürfen…
Das Casa del Suizo ist ein exklusives Hotel, das man in diesem ärmlichen Dörflein niemals erwarten würde. Allerdings ist dies noch nicht soo lange so, wie Christine heute erzählte. Der Besitzer, ein Schweizer und offensichtlich ein ziemlicher Lebemann, hatte sich vor einigen Jahren auf der Flucht vor dem Gesetz (Goldschmuggel) eine vorübergehende Bleibe gesucht und sich in Ahuano niedergelassen. Zu dieser Zeit begann in Ecuador der Individualtourismus zu boomen und des Öfteren trudelten Touristen in Ahuano ein, welche dann auf der Suche nach einer Schlafgelegenheit von den Einheimischen immer zum Casa del Suizo (zum Haus des Schweizers) geschickt wurden. So entstand in den Jahren dieses inzwischen bekannte Hotel, das ein grosses Buffet, einen Swimmingpool, noble Zimmer und immer funktionierende Elektronik bietet.
Ich genoss das feine Essen, die informativen Gespräche und die meditative Flussfahrt – Anja vor allem den Swimmingpool und die Glace.

Tuesday, October 2, 2007

Das Kindergarteneinweihungsfest

Freitag, 28. September 2007
La inauguración del jardín

Ja, nun ist es Vergangenheit, das Fest, auf das wir so lange hingearbeitet hatten und dessen Organisation „kein Kindergartenspaziergang" war… ein kleiner Rückblick mit vielen Fotos:
Um acht Uhr morgens sollten die Padres de la familia, also die Eltern der Schüler, mit den Vorbereitungen anfangen. Und obwohl dies an der Versammlung besprochen wurde, schickten die Eltern die Kinder trotzdem um sieben Uhr zur Schule. Zum Glück hatten wir etwas Avena (Haferbrei) vorbereitet und konnten die Schüler wenigstens verpflegen.
Pünktlich (zwischen Viertel nach acht und Viertel vor neun) trafen die Eltern ein. Sie schleppten Brennholz, Palmblätter für den Fisch, Pfannen und sonstiges Geschirr, lebendige Hühner in Plastiksäcken und jede Menge kleiner Kinder an.

Das Beobachten der indianischen Kocherei war ein sagenhaftes Erlebnis!
Unter einem für hier typischen Strohdach wurden auf einem grossen Feuer Pfannen mit, vom gestrigen Regen etwas trüben Wasser aufgesetzt. Einige Frauen schnetzelten Gemüse (Zwiebeln, Karotten, Yuka, usw.), andere wickelten den Tilapia in die Palmblätter und schnürten ihn mit Lianen zu. Eine Frau kontrollierte den Chicha, ein indianisches Alkoholgetränk aus Yuka und Banane, das, es tut mir Leid, scheusslich schmeckt, aber immer in grossen Mengen vertilgt wird. Zwei Frauen brauchten unbedingt einen Nagel, den ich ihnen besorgte und gleich, mitdenkend, den Hammer dazu mitbrachte. Da fing die ganze Bande zu lachen an. Der Nagel brauchte man, um die Hühner zu töten, in dem man ihn von hinten ins Gehirn stösst. Und dazu benötigt man sicher keinen Hammer…

Die Hühner wurden dann auch getötet, gerupft, kurz übers Feuer gehalten, offensichtlich damit man die restlichen Federn oder Hautstücke besser abziehen konnte und dann zubereitet. Bei all diesen Arbeiten waren die kleinsten Kinder am Rücken der Frauen in einem Tuch oder wurden von den älteren Geschwistern, die ganz selbstverständlich mit dieser Verantwortung umgehen, herumgetragen.

Der „Schulhausrasen" musste noch gemäht werden, was Jorge, ein Vater übernahm, während sein Sohn Cristian die Fahnenstange für das Hissen der ecuadorianischen und schweizerischen Fahne vorbereitete und mit den Schnüren im Mund den hohen Mast empor kletterte. Des Weiteren sollte ich das Geld für die Uniformen eintreiben, welche sich die Eltern an
der letzten Sitzung gewünscht hatten und die im allerletzten Moment fertig gestellt wurden. Niemandem konnte ich auch nur einen Dolar entlocken, stattdessen verloren sich die Mütter in Diskussion über die Wahl des richtigen Schneiders, wie teuer dies alles sei und dass es auf jeden Fall letztes Jahr billiger gewesen war.

Schliesslich durften doch alle Kinder die Uniform anziehen, auch wenn diese noch nicht beglichen war. Bis zum eigentlich Festanlass waren die meisten Kleider allerdings bei vielen, allen voran Anja, wegen des nassen Wetters ziemlich dreckig, was aber niemanden zu stören schien.
Um 10.00 Uhr war der offizielle Festbeginn, aber alle wussten, dass es viel später werden würde und deshalb war um zehn auch noch niemand bereit. Man wartete schliesslich bis halb eins vergeblich auf die geladenen Gäste aus der Politik, von denen eigentlich gar nicht erwartet wurde, dass sie erscheinen würden, aber man trotzdem guter Hoffnung war, da am Samstag Wahlen waren und die Politiker vielleicht noch auf ein paar letzte Stimmen aus dem Dschungel gierten. Der vorbereitete, erste Teil des Festes war eine Abwechslung von Reden (Remigio, Chef des Amazoonicos, Christine von Steiger, Direktorin der Schule, Grefa, Director der Bilingue) und Liedern von unseren Schülern.

Gerade als es ums Durchschneiden der improvisierten Bänder an der Kindergartentüre ging, tauchte zum Erstaunen aller die Präfektin Gina, die langersehnte Politikerin auf, und übernahm natürlich die ehrenvolle Aufgabe. Sogar ein lokaler Fernsehsender war anwesend und filmte die Diva in werbewirksamen Szenen mit den Indianerkindern.

Nach einem kurzen Aperitif mussten wir für die Präfektin noch einmal zwei Lieder zum Besten geben und dann war der zweite Teil des offiziellen Festes an der Reihe: Kichwatanz der Oberstufe, Kindergartendarbietung, Pyramiden der Unter- und Mittelstufe, Artistiknummer der Oberstufe, Voltigiernummer der Mittelstufe. Ich war am meisten nervös wegen der Artistiknummer, das war die, die ich mit meinen Grossen einstudiert hatte und die bis am Schluss nie richtig zufrieden stellend
funktionierte. Da sie auf dem grossen Platz stattfinden musste, waren wir zu oft vom Wetter abhängig gewesen und konnten nicht so oft üben, wie eigentlich nötig gewesen wäre. Aber es lief gut, nicht hervorragend, doch zufrieden stellend. Die sechs waren auf jeden Fall stolz und erleichtert, ich übrigens auch.

Anschliessend folgte das grosse Festessen. Ich brachte zuerst Anja, die vor lauter Müdigkeit (inzwischen war schon 3 Uhr) fast nicht mehr stehen konnte, ins Bett. Dann machte auch ich mich über das „Buffet" her. Obwohl der Anblick eines ganzen Fisches mit Augen mir nicht unbedingt das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, wickelte ich einen Tilapia aus dem Palmblatt und… genoss einen zwar grätenreichen, aber ausgezeichneten Fisch. Bettina wagte sich sogar an die Augen, welche nun mit den Hühnerkrallen zusammen ihren Essens-Mut-Vorsprung auf mich ausmachen.

Nach dem Essen wurde im grossen Schulzimmer eine Musikanlage (generatorbetrieben) installiert und wir Lehrer tanzten zu Kichwamusik mit unseren Schülern. Und wie bei den Erwachsenen kamen auch bei den Kleinen die Jungs die Mädchen oder eben uns Maestras auffordern. Auch Anja, ausgeschlafen, tanzte wieder mit.

Je später der Nachmittag wurde, desto mehr Erwachsene gesellten sich in den „Tanzsaal". Zum Tanzen wurde viel getrunken, nicht nur Chicha (von dem wir eine riesige Tonne hatten), sondern auch von Douwes Cocktail (davon hatte er 12 Eimer angesetzt) und Biere. Auch den Kindern wurde kräftig ausgeschenkt, das ist etwas, woran ich mich noch gewöhnen muss. Sie nennen das mit einem Augenzwinkern „Educación". Ich brachte Anja ins Bett, Christine und ihre Schüler waren auch schon im Lehrerhaus. Während ich unten war, sind oben am Fest weitere Politiker erschienen, die haufenweise Hefte und Bücher für die Schüler mitbrachten. Einer von ihnen hielt eine ewig lange Rede, die eigentlich niemanden interessierte. Bettina setzte dem Geschehen ein Ende, indem sie den Herrn aus der Politik kurzerhand zum Tanzen aufforderte. Scheinbar verwirrte und verunsicherte ihn dies ein wenig, er erkundigte sich auf jeden Fall, ob er überhaupt richtig Kichwa tanze.

Der hohe Alkoholpegel löste sogar den sonst eher schweigsamen und verschlossenen Kichwas die Zunge und es entwickelten sich einige sehr interessante Gespräche. Der Inhalt dieser Gespräche ist zwar immer gleich: Familie. Über etwas anderes können die meisten Indianerfrauen nicht diskutieren und über genau dieses Thema kann ich, aus Indianersicht, keine zufrieden stellende Antworten liefern. Ich schlug mich aber wacker und amüsierte mich. Zwischendurch schwang ich immer wieder mal mit einem der „Barones" das Tanzbein.
Als eine Mutter mit drei ihrer Kinder das Fest verlassen wollte, bemerkte ich, dass sie weinte. Ich sprach sie darauf an und sie gab ihrem ganzen Frust auf Spanisch Ausdruck, was mir wiederum viel zu schnell ging. Ich verstand nur wenig und versuchte sie zu trösten.

Etwas später rief Jan nach Bettina, die dann Augenzeugin wurde, wie die besagte Mutter ihre älteste Tochter Yesseña, eine Schülerin von mir, auf dem Boden verprügelte. Bettina und ich waren so geschockt, für uns war das Fest gelaufen. Wir diskutierten anschliessend lange mit Olivia und Douwe über diesen Vorfall. Es war spannend und teilweise ziemlich ernüchternd, was die beiden über ihre Einblicke in die Kichwakultur erzählten.
Es ist so mit Ecuador: Das Schöne und das Hässliche sind nahe beisammen, manchmal sind sie sogar das Gleiche…




























































Die ecuadorianische Hymne!