Freitag, 28. September 2007La inauguración del jardínJa, nun ist es Vergangenheit, das Fest, auf das wir so lange hingearbeitet hatten und dessen Organisation „kein Kindergartenspaziergang" war… ein kleiner Rückblick mit vielen Fotos:
Um acht Uhr morgens sollten die Padres de la familia, also die Eltern der Schüler, mit den Vorbereitungen anfangen. Und obwohl dies an der Versammlung besprochen wurde, schickten die Eltern die Kinder trotzdem um sieben Uhr zur Schule. Zum Glück hatten wir etwas Avena (Haferbrei) vorbereitet und konnten die Schüler wenigstens verpflegen.
Pünktlich (zwischen Viertel nach acht und Viertel vor neun) trafen die Eltern ein. Sie schleppten Brennholz, Palmblätter für den Fisch, Pfannen und sonstiges Geschirr, lebendige Hühner in Plastiksäcken und jede Menge kleiner Kinder an.
Das Beobachten der indianischen Kocherei war ein sagenhaftes Erlebnis!
Unter einem für hier typischen Strohdach wurden auf einem grossen Feuer Pfannen mit, vom gestrigen Regen etwas trüben Wasser aufgesetzt. Einige Frauen schnetzelten Gemüse (Zwiebeln, Karotten, Yuka, usw.), andere wickelten den Tilapia in die Palmblätter und schnürten ihn mit Lianen zu. Eine Frau kontrollierte den Chicha, ein indianisches Alkoholgetränk aus Yuka und Banane, das, es tut mir Leid, scheusslich schmeckt, aber immer in grossen Mengen vertilgt wird. Zwei Frauen brauchten unbedingt einen Nagel, den ich ihnen besorgte und gleich, mitdenkend, den Hammer dazu mitbrachte. Da fing die ganze Bande zu lachen an. Der Nagel brauchte man, um die Hühner zu töten, in dem man ihn von hinten ins Gehirn stösst. Und dazu benötigt man sicher keinen Hammer…
Die Hühner wurden dann auch getötet, gerupft, kurz übers Feuer gehalten, offensichtlich damit man die restlichen Federn oder Hautstücke besser abziehen konnte und dann zubereitet. Bei all diesen Arbeiten waren die kleinsten Kinder am Rücken der Frauen in einem Tuch oder wurden von den älteren Geschwistern, die ganz selbstverständlich mit dieser Verantwortung umgehen, herumgetragen.
Der „Schulhausrasen" musste noch gemäht werden, was Jorge, ein Vater übernahm, während sein Sohn Cristian die Fahnenstange für das Hissen der ecuadorianischen und schweizerischen Fahne vorbereitete und mit den Schnüren im Mund den hohen Mast empor kletterte. Des Weiteren sollte ich das Geld für die Uniformen eintreiben, welche sich die Eltern an
der letzten Sitzung gewünscht hatten und die im allerletzten Moment fertig gestellt wurden. Niemandem konnte ich auch nur einen Dolar entlocken, stattdessen verloren sich die Mütter in Diskussion über die Wahl des richtigen Schneiders, wie teuer dies alles sei und dass es auf jeden Fall letztes Jahr billiger gewesen war.
Schliesslich durften doch alle Kinder die Uniform anziehen, auch wenn diese noch nicht beglichen war. Bis zum eigentlich Festanlass waren die meisten Kleider allerdings bei vielen, allen voran Anja, wegen des nassen Wetters ziemlich dreckig, was aber niemanden zu stören schien.
Um 10.00 Uhr war der offizielle Festbeginn, aber alle wussten, dass es viel später werden würde und deshalb war um zehn auch noch niemand bereit. Man wartete schliesslich bis halb eins vergeblich auf die geladenen Gäste aus der Politik, von denen eigentlich gar nicht erwartet wurde, dass sie erscheinen würden, aber man trotzdem guter Hoffnung war, da am Samstag Wahlen waren und die Politiker vielleicht noch auf ein paar letzte Stimmen aus dem Dschungel gierten. Der vorbereitete, erste Teil des Festes war eine Abwechslung von Reden (Remigio, Chef des Amazoonicos, Christine von Steiger, Direktorin der Schule, Grefa, Director der Bilingue) und Liedern von unseren Schülern.
Gerade als es ums Durchschneiden der improvisierten Bänder an der Kindergartentüre ging, tauchte zum Erstaunen aller die Präfektin Gina, die langersehnte Politikerin auf, und übernahm natürlich die ehrenvolle Aufgabe. Sogar ein lokaler Fernsehsender war anwesend und filmte die Diva in werbewirksamen Szenen mit den Indianerkindern.
Nach einem kurzen Aperitif mussten wir für die Präfektin noch einmal zwei Lieder zum Besten geben und dann war der zweite Teil des offiziellen Festes an der Reihe: Kichwatanz der Oberstufe, Kindergartendarbietung, Pyramiden der Unter- und Mittelstufe, Artistiknummer der Oberstufe, Voltigiernummer der Mittelstufe. Ich war am meisten nervös wegen der Artistiknummer, das war die, die ich mit meinen Grossen einstudiert hatte und die bis am Schluss nie richtig zufrieden stellend
funktionierte. Da sie auf dem grossen Platz stattfinden musste, waren wir zu oft vom Wetter abhängig gewesen und konnten nicht so oft üben, wie eigentlich nötig gewesen wäre. Aber es lief gut, nicht hervorragend, doch zufrieden stellend. Die sechs waren auf jeden Fall stolz und erleichtert, ich übrigens auch.
Anschliessend folgte das grosse Festessen. Ich brachte zuerst Anja, die vor lauter Müdigkeit (inzwischen war schon 3 Uhr) fast nicht mehr stehen konnte, ins Bett. Dann machte auch ich mich über das „Buffet" her. Obwohl der Anblick eines ganzen Fisches mit Augen mir nicht unbedingt
das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, wickelte ich einen Tilapia aus dem Palmblatt und… genoss einen zwar grätenreichen, aber ausgezeichneten Fisch. Bettina wagte sich sogar an die Augen, welche nun mit den Hühnerkrallen zusammen ihren Essens-Mut-Vorsprung auf mich ausmachen.
Nach dem Essen wurde im grossen Schulzimmer eine Musikanlage (generatorbetrieben) installiert und wir Lehrer tanzten zu Kichwamusik mit unseren Schülern. Und wie bei den Erwachsenen kamen auch bei den Kleinen die Jungs die Mädchen oder eben uns Maestras auffordern. Auch Anja, ausgeschlafen, tanzte wieder mit.
Je später der Nachmittag wurde, desto mehr Erwachsene gesellten sich in den „Tanzsaal". Zum Tanzen wurde viel getrunken, nicht nur Chicha (von dem wir eine riesige Tonne hatten), sondern auch von Douwes Cocktail (davon hatte er 12 Eimer angesetzt) und Biere. Auch den Kindern wurde kräftig ausgeschenkt, das ist etwas, woran ich mich noch gewöhnen muss. Sie nennen das mit einem Augenzwinkern „Educación". Ich brachte Anja ins Bett, Christine und ihre Schüler waren auch schon im Lehrerhaus. Während ich unten war, sind oben am Fest weitere Politiker erschienen, die haufenweise Hefte und Bücher für die Schüler mitbrachten. Einer von ihnen hielt eine ewig lange Rede, die eigentlich niemanden interessierte. Bettina setzte dem Geschehen ein Ende, indem sie den Herrn aus der Politik kurzerhand zum Tanzen aufforderte. Scheinbar verwirrte und verunsicherte ihn dies ein wenig, er erkundigte sich auf jeden Fall, ob er überhaupt richtig Kichwa tanze.
Der hohe Alkoholpegel löste sogar den sonst eher schweigsamen und verschlossenen Kichwas die Zunge und es entwickelten sich einige sehr interessante Gespräche. Der Inhalt dieser Gespräche ist zwar immer gleich: Familie. Über etwas anderes können die meisten Indianerfrauen nicht diskutieren und über genau dieses Thema kann ich, aus Indianersicht, keine zufrieden stellende Antworten liefern. Ich schlug mich aber wacker und amüsierte mich. Zwischendurch schwang ich immer wieder mal mit einem der „Barones" das Tanzbein.
Als eine Mutter mit drei ihrer Kinder das Fest verlassen wollte, bemerkte ich, dass sie weinte. Ich sprach sie darauf an und sie gab ihrem ganzen Frust auf Spanisch Ausdruck, was mir wiederum viel zu schnell ging. Ich verstand nur wenig und versuchte sie zu trösten.
Etwas später rief Jan nach Bettina, die dann Augenzeugin wurde, wie die besagte Mutter ihre älteste Tochter Yesseña, eine Schülerin von mir, auf dem Boden verprügelte. Bettina und ich waren so geschockt, für uns war das Fest gelaufen. Wir diskutierten anschliessend lange mit Olivia und Douwe über diesen Vorfall. Es war spannend und teilweise ziemlich ernüchternd, was die beiden über ihre Einblicke in die Kichwakultur erzählten.
Es ist so mit Ecuador: Das Schöne und das Hässliche sind nahe beisammen, manchmal sind sie sogar das Gleiche…
Die ecuadorianische Hymne!