Die neuesten Nachrichten aus dem Urwald„Flusspferde“Momentan sind wir mitten in den Elterngesprächen, was auf jeden Fall einen eigenen Blog wert sein wird. Schon nur der Weg hin zum Gespräch und wieder zurück passiert meist Unvorhergesehenes. Die Überraschungen fangen oft schon bei der Flussüberquerung an.
Kürzlich, zum Beispiel, bot uns Douwe an, gleich in seinem Kanu mit auf die Insel zu kommen, er müsse nämlich die Pferde dort auf die Weide bringen.
Die beiden Pferde standen schon etwas unschlüssig am Ufer. Mein Blick wanderte von den Pferden zu unserem Kanu und ungläubig wieder zurück. Ich muss zu meiner eigenen Schande gestehen, dass ich wirklich zuerst dachte, die Pferde würden ins Kanu verfrachtet.
Dem war natürlich nicht so. Die beiden Caballos schwammen, vom Kanu aus an der Leine geführt, durch den Arajuno. Ich habe noch nie Pferde schwimmen sehen, es war beeindruckend. Auch Anja beobachtete das Schauspiel fasziniert.
Die illegale GoldsucherinImmer montags um 7.00 Uhr in der Früh (ecuadorianische Zeit, also 7.10) findet in der Küche ein Meeting statt, an dem fast alle Amazoonicoleute teilnehmen. Dort vernimmt man ab und zu interessante Dinge. Zum Beispiel, dass auf Selva-Viva-Gebiet im Moment eine Señora Gloria Gold sucht und behauptet, die Erlaubnis dafür von den Behörden erhalten zu haben, die Papiere hatte sie allerdings nicht. Ob sie fündig geworden ist, wissen wir nicht. Gewiss ist, dass man hier an den Flüssen tatsächlich noch Gold findet und dieses in Tena auch gegen Bargeld eintauschen kann. Ein Blick in eine solche Goldannahmestelle lässt den Wilden Westen erahnen. Sorgfältig wird gewogen, Goldsucher bzw. –finder und Goldkäufer kontrollieren beide akribisch genau, ob auch nicht betrogen wird.
Ich hätte nichts dagegen, nach dem Baden im Arajuno statt Mückenstiche mal ein Nugget nach Hause zu bringen…
BoaAm selben Montagmorgenmeeting haben wir von Ruben, einem, nein, dem besten Waldhüter, gehört, dass er auf Selva-Viva-Boden eine Boa beobachten konnte. Mit 20 cm Durchmesser! Ich war beeindruckt. Ich weiss ja, dass es hier Schlangen gibt. Aber da mir in acht Monaten nur einmal eine Miniaturausgabe in Tena begegnet war, vergesse ich es immer wieder. So eine Boa würde ich allerdings nicht so schnell vergessen. Vielleicht stolpere ich ja noch über eine, wenn ich mit dem Nugget vom Baden zurückkehre…
Nahrungskette
Auch diese Schlangengeschichte kenne ich nur vom Hörensagen:
Letzte Woche sei eine Schlange in den Leoncillo-Käfig eingedrungen und habe das dort lebende Zwergseidenäffchen verschlungen. Nach dem üppigen Mahl habe ihr langer Körper allerdings nicht mehr durch das engmaschige Gitter gepasst, weshalb die Übeltäterin schnell dingfest gemacht worden sei.
Die Ozelote seien an diesem Tag mit einer speziellen Pastete verwöhnt worden: Leoncillo in Schlange. So geht das.
Hechicería – HexereiVorgestern wurde die kleine Zaida aus der ersten Klasse von einem fiesen Muskelkrampf im Nacken gequält. Sie wollte sich gar nicht mehr bewegen, aus Angst, der Krampf werde schlimmer. Also legten wir sie in der Schule auf eine Matratze, massierten ihr die Muskeln und legten Wärmebeutel auf. Da ich diese Art Muskelkrampf von mir selbst gut kenne, machte ich mir keine Sorgen, aber ich wusste nur allzu gut, wie sehr so etwas schmerzen konnte. Die Diagnose von Gloria, unserer Kichwalehrerin, war allerdings unkoventioneller. Mit einer Selbstverständlichkeit meinte sie: „Es hechicería“, Zaida sei gestern verhext worden. Bei uns in Europa muss diese Überzeugung auch einmal populär gewesen sein, schliesslich sprechen wir noch heute vom Hexenschuss.
Wir trugen Zaida nach der Schule zu ihr nach Hause und fragten auf dem Weg dorthin Gloria, was man denn bei Hexerei tun könne. Zu einem Schamanen gehen, der wisse schon die richtigen Kräuter. Und koste etwa 20 Dolares.
Zaida blieb einen Tag zu Hause, kam aber heute wieder gesund in die Schule.
Mir half in solchen Fällen jeweils der Physiotherapeut. Und der kostete mehr als 20 Dolares.
Krieg?Wir vernehmen nicht viel von der Aussenwelt hier im Dschungel und wir geniessen es, für einmal nicht so schrecklich informiert zu sein. Ein paar Ereignisse wie die Überschwemmungen in Südamerika, der Ausbruch des Tungurahua oder die weltbewegenden Bundesratswahlen in der Schweiz (J) kommen wir natürlich trotzdem mit.
Dann wurde in den vergangenen Wochen plötzlich immer wieder von dieser Geschichte gesprochen: Kolumbianische Militärs sind unerlaubterweise in Ecuador eingedrungen um, - ebenfalls kolumbianische, - Terroristen zu jagen. Für dieses illegale Eindringen verlangte Ecuador eine Entschuldigung, welche Kolumbien aber nicht geben wollte, weil man bei einem der Terroristen Beweise für Verbindungen zu einem hohen ecuadorianischen Politiker fand. Schliesslich hatten sich dann noch die Vereinigten Staaten eingemischt (was auch in Ecuador niemanden überrascht), sich aber leider auf Kolumbiens Seite gestellt (was ebenfalls niemanden überrascht, schliesslich hat Kolumbien einen florierenden Drogenhandel).
Keine Ahnung ob die Geschichte so stimmt – mich beunruhigte sie nicht sehr. Vielmehr gab mir zu denken, wie schnell sich einige Menschen für einen Krieg begeistern könnten. Das Wort war sofort in aller Munde und wenn es ausgesprochen wurde, schwang nicht selten Faszination mit.
SchildkrötensucheOliva wollte im grossen Schildkrötengehege alle Tortugas einfangen, zählen, messen und wiegen.
Offensichtlich seien einige Tiere durch ein Loch im Gitter entkommen, und sie wollte genau wissen, wie viele. Weil Kinder so gut im Suchen sind, bat uns Oliva, mit der Schule an der Einsammlungsaktion teilzunehmen. Wir schickten den Kindergarten und die erste und zweite Klasse, unser eifrigster Suchtrupp. Die Kleinen waren dann auch mit Enthusiasmus dabei, krochen durch den Schlamm, unter die Bäume, hinter die Büsche, in die Höhlen der Schildkröten und brachten sie freudestrahlend den Maestras. Für jede gefundene Schildkröte gab’s eine kleine Schleckerei.
Von den ursprünglichen 60 Tortugas konnten nach einstündiger, intensiver (davon zeugen die Kleider der Kinder) Suche noch gerade 30 aufgefunden werden. Da haben wohl etliche Schildkröten den Zeitpunkt ihrer Auswilderung selbst bestimmt.