Tuesday, May 27, 2008

Stadtschulwoche in Quito - 12.5 & 13.5

Buenas noches aus Cuenca, der mit Abstand schönsten Stadt Ecuadors!

Vor einer Woche haben wir das Projekt Sacha Yachana Wasi abgeschlossen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. In den letzten zwei Wochen haben sich die Kinder, der Dschungel, das Wetter und die Stimmung im Lehrerhaus noch einmal von der allerbesten Seite gezeigt und den Abschied schwer fallen lassen. Obwohl es nun schon eine Weile her ist, würde ich euch gerne ein bisschen von der Stadtschulwoche in Quito schreiben.

Die Idee einer Spezialwoche für die vier verbliebenen Oberstufenschüler hatte ich, weil mich dünkte, auch sie sollten etwas Besonderes haben, wenn ja die anderen vier währenddessen in die Schweiz "durften". Ich wollte etwas unternehmen, das fast so spannend und fremd war, wie die Schweizreise von Yesseña und Micaela. Maestra Gloria und Anja begleiteten uns.

Finanziert haben wir uns die Woche aus dem Spendengeld der Lehrkräfte der Sekundar- und Realschule Wasen, die dafür manche Stunde engagiert gejasst haben. Herzlichen Dank an André & Kathrin Müller, Dani & Annemarie Rösti, Dänu Haymoz, Elisabeth und Werner Berger, Judith und Jürg Flükiger, Bernhard Probst, Patrick von Büren und alle Gelegenheitsjasser!

Montag, 12. Mai 2008
Anreise

Statt mit dem Schulkanu in den Amazoonico zu kommen, fuhren Cristian, Adrian (beide in den schönsten Kleidern, aber sichtlich nervös), Maria (wegen deren vergessener Identitätskarte wir noch einmal flussabwärts mussten), Anja und ich nach Puerto Barantilla, wo Abdón und seine Schwester Gloria schon auf uns warteten.
Leider kam der Bus nach Tena wegen einer Baustelle weiter oben nicht und wir waren gezwungen, unsere Reise nach Quito mit eineinhalb Stunden Warten zu verbringen.

In Tena wurden bereits die ersten Sachen "gänggelet" und ich fragte mich einmal mehr, woher dieses Geld dann plötzlich immer kommt.

Die Fahrt nach Quito war abenteuerlich, was vor allem dem unregelmässigen Fahrstil des Chofer zuzuschreiben war. Den 5 Kichwas wurde es speiübel bei diesem ruckartigen Bremsen und beherzten Gasgeben. Ohne dass ich es merkte, hatte sich Adrian schon still und heimlich in den Spalt zwischen Sitz und Buswand übergeben. Bei Cristian war ich dann mit einer Tüte zur Hand. Schliesslich schliefen alle ein, was unter diesen Umständen wirklich das Beste war.

Am Terminal Terrestre de Quito bestiegen wir alle zusammen ein Taxi (was ein ziemliches Gstungg war) und fuhren zum Hostal Cometa, wo ich mich inzwischen schon ziemlich zu Hause fühle und das die ganze Woche ausschliesslich uns zur Verfügung stand.

Das Nachtessen ging ich mit Maria und Gloria im Mall "El jardín", einem riesigen Shoppingcenter, einkaufen. Erst als ich das nervöse Gekicher hörte, realisierte ich, dass die beiden noch nie auf einer Rolltreppe geritten waren und das Ganze wohl amüsant, aber doch ein bisschen angsteinflössend fanden.

Abdón surfte inzwischen im Hostal im Internet. Und obwohl er sicher noch nicht oft mit einem PC gearbeitet hatte, fand er sich erstaunlich gut zurecht. Grossen Spass machte ihm das Schmökern in meinem Blog, vor allem wegen der Fotos und der Filme.

Nach dem Essen war ziemlich schnell Nachtruhe. Und die Alarmanlage ging nie los. Ich hatte den Kindern im Vorfeld meine Geschichte mit dem Sicherheitssystem im Hostal Cometa erzählt und niemand wollte die Polizei im Haus. Obwohl, Cristian hätte es vielleicht gereizt... einfach mal schauen, was passiert...

Dienstag, 13. Mai 2008

Besichtigung der Altstadt und der Basílica, Spazierfahrt im Parque Carolina

Weil es in Quito ja viel kälter ist als im Oriente, haben Jana und ich den Kindern unsere warmen Sachen ausgeleiht: Abdón lief in meinem Faserpelz rum, Adrian in Janas, Gloria trug mein T-Shirt und Cristian meine Windjacke.

Wenn die Fahrt im Trolébus etwas Besonderes war, liessen es sich die Schüler nicht anmerken. Eine kleine Unsicherheit war, wo man warum Geld für das Ticket runterlassen muss und wie man durch die Drehstangen geht, die verhindern, dass zu viele Leute miteinander in die Busstation eintreten (wisst ihr, was ich meine? haben die Dinger einen Namen?).

Beim anschliessenden Spaziergang durch die Altstadt gab es viel zu sehen, nicht nur für die ungewöhnten Indianeraugen, sondern auch für Anja und mich. Zum Beispiel einen Schnürsenkelverkäufer. Wir durften in die Eingangshalle des Regierungsgebäudes von Rafael Correa, des amtierenden Präsidenten. Den adretten, schwarzen Wächter, der dekorativ vor dem Eingangstor stand, durften wir fotografieren.


Auch der Aufstieg in den Turm der Basílica, einer grossen Kathedrale, war nicht nur für die Schüler eine spannende Angelegenheit. Die extrem steile Leiter in den Turm schien alles andere als sicher und die Häuser von Quito wirkten von dieser luftigen Höhe beunruhigend klein. Gloria und Maria blieben lieber im sichereren Zwischenstock und auch ich wagte mich nur hinauf, weil Anja so gerne wollte.

Das Mittagessen nahmen wir in einem kleinen typischen Restaurant ein, von denen es in der ganzen Stadt an jeder Ecke eines gibt. Die Kinder bestellten Reis und Poulet, konnten es aber kaum geniessen, wie das Foto von Cristian beweist, weil im Raum ein Fernseher lief.

Abschluss dieses ersten Ausflugtages in die Grossstadt war eine Pedalofahrt im Parque Carolina.

Zum Abendessen wünschten sich die Kinder - man glaubt es kaum - Reis und Poulet. Huhn war zu kostspielig, aber Reis und Zwiebel-Tomaten-Salat wurden im Hostal von Maria und Gloria gekocht. Als dann Maya noch einen Fernseher brachte, hörte man von den müden Kindern nicht mehr viel. (PS: In der Schweiz habe ich bei Lagern immer darauf geachtet, dass die Kinder mal eine Woche nicht fernsehen. Hier in Ecuador mochte ich es ihnen von Herzen gönnen...)


Monday, May 12, 2008

Kreative Spezialwoche




28. April 2008 bis 2. Mai 2008

Da die Woche sowieso mit einem Freitag (1.Mai) unterbrochen war, haben wir beschlossen, eine Spezialwoche durchzuführen. Der Kindergarten und die Unterstufe haben Papier geschöpft, Tücher gefärbt und Stempel gemacht. Die Mittel- und Oberstufe haben wir in eine Mädchen- und eine Jungsgruppe eingeteilt. Die Jungs bauten mit Heiko am Mini-Kichwa-Haus weiter, die Mädchen häkelten bei mir ein Handtäschchen.

Mir machten die drei Tage grossen Spass. Obwohl die Mädchen vorher noch nie gehäkelt hatten, haben sie die Technik schnell begriffen und gingen mit grossem Eifer an die Sache ran. Sie arbeiteten manchmal so konzentriert und mucksmäuschenstill, dass ich den Drang verspürte, ein Gespräch anzufangen. Wenn sie geplaudert haben, dann meist auf Kichwa, was mich gefreut hatte.
Anja hatte sich in dieser Woche Fieber und musste das Bett hüten. Das war aber abgesehen davon kein Problem, die Häkelstunden fanden einfach im Lehrerhaus statt, was die Mädchen natürlich genossen.

Am Mittwochnachmittag gingen wir erneut nach Tena, um noch einmal bei der Bilingüe vorbeizuschauen und die Formulare alle in Ordnung zu bringen. Allerdings machten mir Anjas heftige Fieberschübe langsam Sorgen und wir entschieden, stattdessen zur Malariakontrolle zu gehen. (PS: 40.5 Grad Fieber mitten in der Nacht im Dschungel, wenn du weisst, dass das nächste wirklich gute Spital drei Stunden entfernt ist, und du zuerst noch ein Kanu organisieren müsstest, das gibt doch ein bisschen ein flaues Gefühl im Magen). Man kriegt auf dieser Stelle
einen Piks in den Finger, kein Pflaster drauf und dann nach einer halben Stunde Wartezeit
negativen oder positiven Bescheid. Der Mann vor uns hatte einen positiven Blutwert und bekam einen Haufen Medikamente mit (Es gibt eben doch Malariafälle in Tena!) Bei Anja haben sie glücklicherweise nichts gefunden.
Gegen Abend bekam ich starke Ohrenschmerzen. Wie schon das ganze Jahr, reagierte ich auf Anjas Krankheit ebenfalls mit einem Wehwechen. Den freien Donnerstag konnte ich kaum mehr geniessen, so sehr lenkte mich der pochende Schmerz im Ohr ab. Am Freitagmorgen, nach einer im Sitzen verbrachten Nacht, entschloss ich mich nach Puyo zu fahren. Es war sehr schade, konnte ich an diesem Tag nicht in der Schule sein. Steffi hat für alle Schüler einen Sporttag organisiert, mit Duathlon und Grenzballturnier. Eigentlich wäre ich da sehr gerne dabei gewesen... der Anlass war ein grosser Erfolg.
In Puyo - nach drei Stunden Busfahrt, einer halben Stunde Bürokratie und einer weiteren Stunde Wartezeit - wusste ich dafür mit Sicherheit, was Anja und mich so geplagt hatte. Anja hatte eine abklingende Grippe, wie wir dies schon vermutet hatten. Und ich eine Infección del Oído medio - eine Mittelohrenentzündung. Und ich kann euch sagen: Ich hätte zeitweise ein geplatztes Trommelfell in Kauf genommen, nur damit der Schmerz endlich aufhören würde. Abgesehen davon bin ich einfach nicht gut im Kranksein.

Thursday, May 1, 2008

Allerlei

Mis amigos, querida familia
Ihr merkt, ich bin nicht mehr so a jour mit meinen Einträgen und ich glaube, dass sie auch stilistisch etwas nachgelassen haben. Meine Entschuldigung ist kurz und überzeugend: es gibt im Moment einfach zu viel zu tun!
Hier in wenigen Worten ein paar Highlights der letzten Wochen:

Besuch vom Vätu
Patrick kam in seinen Frühlingsferien zu uns zu Besuch. Unglaublich, dass dies jetzt schon wieder zwei Wochen her ist! Anja hat die Zeit sehr genossen, obwohl sie dann auch wieder gerne die Nachmittag mit ihrer allerbesten (und halt weit und breit einzigen) Freundin Kayla verbrachte. Patrick half uns in der Schule aus und unternahm viel mit unserer Tochter.

Wir sind mit ihm ins Runa Huasi ein traditionelles Kichwagericht kosten gegangen. Wie man sieht, konnte sich sogar Patrick, der sonst nichts mit Fischen auf Tellern anfangen kann, am Tilapia erfreuen.





Zeichenkünstlerin Anja
Die Umgebung, in der wir momentan leben, beeinflusst auch den Zeichnungsstil von Anja: statt Autos und Häuser zeichnet sie halt Tortugas (Schildkröten).






Kichwahausbau
Jan hatte Heiko gefragt, ob sie im Werken ein Baumhaus bauen dürften, was verneint wurde. Man einigte sich aber auf ein Spielhaus, das die Jungs sofort in Angriff nahmen und in den vergangenen Wochen prakisch alleine auf die Beine bzw. Pfähle gestellt haben. Sie haben sogar an den Nachmittag daran weitergearbeitet. Die Verankerung haben sie so gemacht, wie es ihnen Heiko vor einem halben Jahr einmal beigebracht hatte. Beim Rest wurde gehämmert und gesägt, wie sie es von ihrem Vätern vorgemacht bekommen. Und das Haus steht! Ohne Wasserwaage und rechte Winkel. Der krönende Abschluss ist das Blätterdach (techo de paja), das die Kinder aus Palmwedeln geflochten haben und das 100% wasserabweisend ist. So bekamen wir wieder einen unbezahlbaren Einblick mehr in das Alltagsleben der Kichwas: Wir durften einen Hausbau in Miniatur miterleben. Im Moment basteln die grösseren Jungs an der Inneneinrichtung und beklagen lachend, dass das Wichtigste am Haus sowieso noch fehle: eine Frau ;-).

Kinderfiesta
Da ja am letzten Wochenende vier der grossen Kinder den Dschungel in Richtung Schweiz verlassen haben, hatten wir am Vorabend noch eine Kinderfiesta organisiert. Die letztjährigen Lehrer haben von dieser Party geschwärmt und auch wir fanden das Ganze ein gelungener Anlass. Um vier Uhr nachmittags haben wir angefangen mit den gemeinsamen Vorbereitungen: die mit Bonbons und Gumpibällen gefüllten Luftballone aufhängen, damit sie mit dem Blasrohr runtergeschossen werden konnten, die Musikanlage aufstellen (wiederum Aufgabe der Jungs), das Essen vorbereiten (wiederum Aufgabe der Mädchen).
Nach dem Essen, das zwar nicht unbedingt geschmeckt, aber doch die Mägen gefüllt hatte, begannen die ersten mit Tanzen. Und diese Kinder können tanzen! Zu traditioneller Kichwamusik forderten die Jungs die Mädchen formvollendet auf und tanzten wie die Grossen: ohne sich in die Augen zu schauen, aber sehr körperbewusst und selbstsicher. Es war eine Augenweide, ihnen dabei zuzuschauen.
Das Blasrohrschiessen war vor allem bei den Kleinen der Renner, obwohl sie noch zu wenig Puste hatten und die nicht ganz aufgeblasenen Ballone selten zum Platzen brachten.
Als es gegen 9 Uhr ging, hielt Yesseña eine bewegende Abschlussrede. Obwohl wir den Grund bis jetzt noch immer nicht verstanden haben, soll sie nächstes Jahr nicht mehr im Sacha Yachana Huasi in die Schule, sondern auf ein internatähnliches Colegio in Tena gehen. Somit war dies ihr letzter Tag mit ihren Compañeros. Sie dankte allen für die Freundschaft und die guten Momente in dieser Schule, so wie das ein Erwachsener nicht besser gekonnt hätte, und dabei liefen ihr die Tränen die Wangen runter.
Nach der Rede verliessen die Kleinen die Schule Richtung Fluss, um auf Victor (Kanufahrer) zu warten. Meine Klasse nutzte die verbleibenden fünf Minuten, um gemeinsam mit Yesseña zu tanzen. Sie umarmten sich und tanzten Runden und spontan bildete sich eine Frauen- und eine Männergruppe und die Kinder tanzten einen alten Kichwatanz, wo die Geschlechter aufeinander zu gehen und sich symbolisch etwas schenken. Ich glaube, die Männer schenken Schutz und Kampfgeist und die Frauen Nahrung und Fruchtbarkeit (so sieht es für mich jedenfalls aus).
Ich sass an einer Wand angelehnt und beobachtete die Szene. Nun war es an mir, die Tränen abzuwischen. Es wird sehr hart sein, diese einmalige Klasse zu verlassen...
Selbstverständlich hatte Victor eine halbe Stunde Verspätung, so dass Sacha den Bus verpasste und die Nacht im Lehrerhaus verbrachte, was für Anja ein krönender Abschluss war. Stellt euch die Situation in der Schweiz vor: ein Erstklässler übernachtet nach einer Party auswärts, ohne dass die Eltern benachrichtigt werden, und das Kind schläft am fremden Ort ohne Probleme ein.

Es folgen Fotos und Videos, wenn ich wieder mal Zeit finde, nun müssen wir auf den Bus. Hasta luego...