Saturday, January 5, 2008

Noticias de la selva

Der erste Monat des neuen Jahres geht schon langsam dem Ende zu, unglaublich! Rennt die Zeit in der Schweiz auch dermassen? Vielleicht ist es so, weil die Tage kurz sind. Vielleicht auch, weil vieles immer noch neu und spannend ist, so dass die Tage kommen und gehen, dass es einem fast bange wird.

Bei den Volontären

Während den Weihnachtsferien nutzte ich die Gelegenheit einen Goumer zu haben beim Schopf und stürzte mich mit der ältesten Kleidung in die Arbeit der Volontäre. Diese kommen aus allen möglichen Ländern und zahlen monatlich 100 Dolares, dass sie überhaupt im amaZoonico krampfen dürfen. Und sie krampfen wirklich: Futter für die Tiere vorbereiten, Tiere füttern, Käfige putzen, Touristenführungen machen, Früchte holen und die Treppe hochschleppen, wieder Tiere füttern, wieder Touristenführungen machen, wieder Früchte holen, Abfall verbrennen, Nachtessen kochen, usw.
Ich genoss es, mich mal körperlich so richtig austoben zu können und profitierte natürlich auch sonst von den neuen Erfahrungen. Zum Abschluss durfte ich sogar noch Touristenführungen machen und auf Berndeutsch und Englisch erklären, wie die verschiedenen Tiere heissen und warum sie in Käfigen sind.
Die meisten sind eingespeert, weil sie schon zu sehr an den Menschen gewöhnt sind und in der freien Natur gar nicht überleben würden. Solche Tiere kommen meist aus privaten Haushalten, aber auch aus Zoos oder vom illegalen Handel. Einige sind in Käfigen, weil sie dort auf ihre Auswilderung warten. Diese Idee des Projektes sagt mir am meisten zu und die wird während einer Führung auch immer wieder betont. Ich finde es unfassbar, dass sich einige Touristen nach einer informativen Tour durch den amaZoonico trotzdem noch nach dem Preis für einen Affen erkundigen.


Maestra Steffi

Seit Anfang Januar haben wir ein neues Teammitglied: Stefanie Burgunder. Sie hat sich sehr schnell eingelebt, übernimmt zu unser aller Erleichterung den Musikunterricht und führt auch sonst, -was die Schule betrifft-, die guten Angewohnheiten von Bettina weiter.

Leider hat sie sich auch bereits schon in der ersten Woche von den Sandfliegen verunstalten lassen. Mit unserer mehrmonatigen Erfahrung auf diesem Gebiet sind wir ihr natürlich mit Rat und Tat zur Seite gestanden und haben uns insgeheim gefreut, selbst wohl doch endlich immun gegen die Viecher geworden zu sein.

Steffi führt selbst auch einen Blog während ihrer Zeit hier in Ecuador: steffiburgunder.wobistdujetzt.com

Maestra Mueti

Ich versuche, die Schulstunden im Sacha Yachana Huasi ganz bewusst zu geniessen. Zu schnell werden sie der Vergangenheit angehören. Und wo kriege ich das in der Schweiz wieder? Eine 8-köpfige Klasse voller begeisterungsfähiger, aufgeweckter, lernbegieriger Schüler, die auf dem Weg zum Lehrerpult einen Überschlag machen? Wann kriege ich wieder Oberstufenschüler, die gebannt einer Kinderbucherzählung folgen? Oder wann solche, die wegen einem Flugzeug ans Fenster rennen? Oder schmollen, wenn ich sie nicht aufrufe, obwohl sie sich doch so Mühe gegeben haben, nichts reinzurufen und mit aufgestreckter Hand zu warten?

Und mit allergrösster Wahrscheinlichkeit habe ich nie wieder Schüler, die mit dem Kanu zur Schule kommen!


















Die Kinder sind mir sehr ans Herz gewachsen! Und Unterrichten ohne Kopierer, mit immer feuchtem Papier und schnellen Kakerlaken, ohne Licht, dafür mit lautem Regen, der aufs Blechdach trommelt, ist wunderschön. Einfach Schule geben - ohne all die Verpflichtungen, welche dies in der Schweiz mit sich bringen würde.

Gestern rief Alirio immer wieder nach mir: Maestra, Maestra, Maestra! Ich wollte ihn absichtlich nicht hören, schliesslich erklärte ich gerade einer seiner Mitschülerinnen einen Werkstattauftrag, er sollte ruhig mal warten. Da verlor Alirio die Geduld und schrie: MUETI! Was bei Anja hilft, kann ja nicht so falsch sein. Auch dies wird mir wohl nicht so schnell wieder passieren.


Termitenangriffe

Während Christine von Steiger hier in den Ferien war und ihre "Ferienwohnung" beanspruchte, durften wir das Haus von Douwe&Oliva benutzen, die gerade in Holland auf Urlaub waren. Dort fochten wir dann einen nie endenwollenden Kampf gegen die Termiten (und gegen Douwes Gänse, aber das ist eine andere Geschichte). Termiten sind faszinierende Tiere mit unglaublichen sozialen Strukturen, haben aber in menschlichen Architekturen nichts zu suchen. Deshalb rückten wir den armen Viechern immer wieder mit Insektizid zu Leibe, nicht ohne gleichzeitig ihre langen Tunnelkonstruktionen und ihre Beharrlichkeit bewundern zu müssen.




Zum Nachtessen gibt's.... Tortuga!

Als wir letztes Wochenende wieder einmal in Puerta Barantilla auf ein Kanu warten mussten, kamen wir mit einer Kichwafamilie von der Isla Anaconda ins Gespräch, die ebenfalls wartete. Da bemerkte ich, dass sie in der Einkaufstasche eine lebendige Schildkröte hatten. Ich fragte direkt nach, von wo sie die hätten und wofür sie sie bräuchten. Das schien ihnen eine selten dumme Frage zu sein. Vom Markt, selbstverständlich, und zum Zubereiten. Ja, was denn sonst? Die Familie lebt keinen Kilometer weit vom Amazoonicoprojekt entfernt, dessen Ziel es ja ist, solche Tiere wieder auszuwildern. Da wird der Idealismus der Volontäre hart auf die Probe gestellt und es darf an der Nachhaltigkeit des Projektes kurz gezweifelt werden...


Friday, January 4, 2008

Weihnachten einmal anders (von Patrick)




Nach sehr langer Reise (Delta-Airlines hat mir eine Zusatznacht in einem Hotel in Atlanta spendieren müssen) habe ich Anja und Annelies in Tena beim Busbahnhof getroffen. Nach einem kleinen Aufenthalt in der „Stadt“ ging es schliesslich weiter in den Amazoonico. Auf der Busreise musste ich zwar kurz dem Klimawandel Tribut zollen, aber sonst hat mir die Umstellung von kühl-schweizerischen 0°C auf feucht-heisse ecuadorianische 28°C kein Problem bereitet.
Als erstes haben wir den Weichnachtsbaum, also den Weihnachttuyabaum, von der Schule ins Lehrerhaus gezügelt und gespannt den Koffer mit den Geschenken ausgepackt! (Der Rucksack mit meinen Kleidern ist bis heute leider immer noch nicht bei mir eingetroffen). Es gab so viele Geschenke für Anja und Annelies, dass wir die Bescherung auf drei Tage verteilen mussten!!

In meinen Ferien war ich sehr oft im Kindergarten mit Anja. Sie hat mich in die Geheimnisse der Bodega (Materiallager) eingeführt und alle ihre Lieblingsspiele gezeigt! Anjas Lieblingsspiel ist im Moment „Kochen und Essen“. In diesen Tagen im Urwald bin ich zum 5-Stern Koch avanciert.

In diversen Ausflügen haben wir sehr interessante und schöne Dinge gesehen. Begonnen hatte es mit einem Dschungelspaziergang zur Liana Lodge, wo wir vorzüglich zmörgelet haben. Im Rundgang in der „Tierauswilderungsstation“ konnte Annelies ihre erste Gehversuche als Tourguide machen. In meiner Nachttour mit Jaime, einem einheimischen Wildhüter, habe ich die hochgiftige Ekis entdeckt.

Das Ganze war nicht ganz ungefährlich. Die Schlange lag auf einem etwa 60cm breiten Waldpfad. Der Tourguide, mit einer sehr schlechten Taschenlampe, und eine holländische Volontärin sind bereits neben ihr durch gelaufen. Wie man auf dem Foto gut sieht, ist die Ekis in Angriffsposition. Wird man von der Schlange gebissen, hat man sechs Stunden Zeit, das Antiserum zu spritzen.

Morgen früh muss ich leider schon abreisen. Sachen, die ich vermisse werden, mal abgesehen von meiner Tochter Anja:
- warmen Temperaturen
- frische Früchte
- das Affenbeobachten auf dem WC
- Fondue bei 27°C



- 12 Stunden schlafen
- Nachtkonzert der Tiere
- der tägliche Nervenkitzel, ob sich ein giftiges Tier in meinen Stiefel befindet
- die täglichen Candlelightdinner
- Lianenschauklen mit Anja




und was ich nicht vermissen werde…..

DIE MÜCKEN………….

Isla Anaconda

Die längliche Insel, die zwischen dem Rio Napo und dem Rio Arajuno liegt, verdankt ihrem Namen einem Inselhotel, das lange Zeit eine etwa 4 Meter lange Anaconda beherbergte. Diese Anaconda gibt es heute nicht mehr und man ist sich nicht sicher, wie sie verschwand. Ist sie geflohen, wurde sie verkauft oder doch verspeist?

Die meisten unserer Schüler wohnen auf der Isla Anaconda. Da auf der Insel keine Affen leben und man sie praktisch schlangenfrei halten kann, eignet sie sich sehr gut für Plantagen. Die Familien der Schüler verkaufen denn auch Früchte, Yucca und Mais an den Amazoonico, wo das meiste an die Tiere verfüttert wird. Es ist jeweils ein schönes Bild, wenn eine Indianerfamilie mit gefülltem Einbaumkanu über den Arajuno kommt, ohne Motor, nur mit einem Stecken im Wasser stakend. „Hay frutas“ hört man dann von den Volontären, und die mühsame Schlepperei die lange Treppe hoch in die Tierbodega beginnt.

Da uns Patrick in der Altjahrswoche besuchen kam, bot sich mir endlich die Gelegenheit, eine Touristentour der Liana Lodge mitzumachen. Mit dem Guia Edwin, einem Kichwaindianer, der, wie sich herausstellte, etliche Cousins und Cousinen in der Schule hat, und drei deutschen Frauen setzten wir zur Insel über.

Als erstes machten wir beim Haus der Familie Canelos Grefa Halt. Aus dieser Familie haben wir vier Jungs in der Schule: Cristian, Adrian, Randy und Jerson. Das Haus ist nach traditioneller Art erhöht auf Pfählen gebaut und mit Palmblättern abgedeckt. Überschwemmungen von einem der Flüsse seien nicht selten, etwa alle zwei Jahre stünde die ganze Ernte unter Wasser. Ich war etwas ernüchtert von dem Haus, treffender gesagt Hütte, in der unsere Schüler zu Hause sind. Da ist wirklich nicht viel – immer verglichen mit der Schweiz natürlich. Obwohl rund ums Haus die Pflanzen gedeihen und der Vater einen guten Job in der Liana Lodge hat, scheint das Geld für nichts zu reichen – oder anders ausgegeben zu werden als von Europäern erwartet.

Die Familie war in einer Plantage am Arbeiten und Edwin zeigte uns rund um ihr Haus die verschiedensten Kulturpflanzen. Seit ich die Yuccawurzel vor einem halben Jahr kennen und schätzen gelernt habe, möchte ich wissen, wie die dazugehörige Pflanze aussieht. Eigentlich, jedenfalls von weitem, erinnert sie an eine Hanfpflanze. Es gebe verschiedene Sorten, die unterschiedlich lange Reifezeiten hätten, nicht alle seien essbar, usw. Wenn die Yucca nicht so abhängig vom tropischen Klima wäre, würde ich mir in der Schweiz ein Beet davon anlegen. Und zwischendurch jemanden zu einem leckeren, exotischen Yuccamahl einladen…

Vieles, was ich dann von Edwin lernte, habe ich mir in der Schweiz gar nicht oder falsch vorgestellt. Zum Beispiel, einmal muss es ja gebeichtet werden, war ich überzeugt, dass Anananas an Palmen wachsen. Vielleicht tun sie das auch irgendwo, sicher aber nicht in Ecuador. Die gedeihen einzeln am Boden, wie das Bild zeigt. Und Papayas wachsen auf Bäumen, immer mehrere mit unterschiedlichen Reifegraden zusammen. Die Trauben mit dem grossen Stein in der Mitte, die ein bisschen an Kirschen erinnern, wachsen hingegen auf hohen Bäumen. Der Orangenbaum sieht überhaupt nicht wie ein Orangenbaum aus und das Zitronengras, das Hierba Luisa, könnte ich nicht vom normalen Gras unterscheiden. Zum ersten Mal sah ich eine Zuckerrohrpflanze, gekostet haben wir sie ja schon ausgiebig in Baños.

Bei unserer Wanderung durch die Plantagen sahen wir vor allem viel Mais, Oritos- und Kochbananen, Yuccapflanzungen.
An einem Baum zeigte uns Edwin eine gelbe, fingerlange und sehr pelzige Raupe, die „Patschongo“ oder ähnlich genannt wird. Sie sei überaus giftig, etwa wie die Gonga. Der Guia wollte sich für die weiteren Ausführungen (in langsamem Spanisch) am Stamm abstützen und bemerkte gerade rechtzeitig, dass der Baum noch eine andere Touristenattraktion beherbergte. Eine weitere Raupenart, die sich durch Zusammenrotten vor Fressfeinden schützt. Wie ein einziges Lebewesen krochen die Räupchen alle in eine Richtung und sahen dabei aus wie eine pelzige Flunder. Die Härchen der Tiere seien auch giftig, deshalb werden sie von den Kichwas erst gegessen, wenn das offene Feuer die Haare versengt und das Fleisch geröstet hat.



Am Himmel zogen dunkle Wolken auf und erlaubten mir dieses wunderschöne Stimmungsfoto. Als es kurz darauf zu winden und dann einem Sturzbach ähnlich zu regnen begann, wussten wir wieder einmal, warum der Regenwald so heisst. Wir benutzen Bananenblätter als Schirme, was hier tatsächlich so gemacht wird, aber bei einem solchen Regenfall einfach nicht viel bringt.
Klatschnass erreichten wir das Haus der Familie Vargas Cerda, einer 11köpfige Sippschaft, wovon Maria, Sulai und Zaida bei uns zur Schule gehen. Auch hier war ich ernüchtert von der Hütte, obwohl ich wusste, dass Marias Familie zu den ärmeren gehört. Marias Mutter zerstampfte eine gekochte Yucca, um zu demonstrieren, wie man Chicha macht. Anschliessend durften wir etwas von diesem Gesöff kosten. Je nachdem wie die Zusammensetzung ist (Banane, Yucca, Mais) variert der Geschmack, für Europäer so oder so gewöhnungsbedürftig. Auf jeden Fall ist Chicha sehr nahrhaft und laut Edwin die Nahrung, die man immer in einem Kichwahaus findet. Und ich glaube, das ist der Grund, warum Christine in der Schule das Frühstück eingeführt hat. Einige der Schüler kamen mit nichts als Chicha im Bauch zur Schule, und der Alkoholgehalt dieses Getränks ist nicht zu verniedlichen.
Anschliessend durften wir, halt wirklich touristenmässig, mit einem Blasrohr auf eine Papaya schiessen, die Maria für uns auf einem Stecken befestigt hatte. Ich traf kein einziges Mal, war aber beeindruckt von der Waffe.
Ich glaube, dass sich die Mädchen gefreut haben, dass die Maestra in ihrem Haus war. Sie lächelten oft verschmitzt, waren aber ansonsten sehr schüchtern und zurückhaltend und hätten niemals das Wort an mich gerichtet, hätte ich sie nicht immer wieder etwas gefragt. Damit mein Besuch nicht so einseitig blieb, versprach ich ihnen, sie dürften auch mal das Lehrerhaus anschauen kommen. Da grinsten sie.
Für mich war dieser Ausflug auf die Isla Anaconda ein Highlight dieser Weihnachtsferien! Eines von vielen.