Friday, September 14, 2007

So hat der September begonnen...

So hat der September begonnen… 7. September 2007

Meine lieben Daheimgebliebenen!
Die Tage hier im Dschungel vergehen schnell, einer gliche dem nächsten wie ein Ei dem anderen, wären da nicht diese Vorkommnisse, die das Projekt Ecuador wirklich zu einem Abenteuer machen. Hier ein paar Kostproben, was in den letzten zwei Wochen so alles im amazoonico (Zoo und Auswilderungsprojekt) und im Sacha Yachana Huasi (Wald-Lern-Haus = Schule) geschehen ist:









100% Maestra
Die Schule läuft gut, immer noch immens chaotisch, verglichen mit der Schweiz, aber inzwischen so, dass ich mich wohl fühle. Lehrerin sein ist halt schon der beste Beruf überhaupt… hihi. Und kommt mir jetzt nicht mit Ferien und gutem Lohn, beides können wir uns hier abschminken. Wie in der Schweiz arbeiten wir aus purem Idealismus!

Die Affen rasen durch das Haus…
Bei uns sind die Affen ins Haus eingebrochen, weil wir fahrlässigerweise die Türe nicht abgeschlossen hatten. Zum Glück intervenierten die Volontäre schon nach kurzer Zeit, bevor allzu grosses Chaos entstanden war. Auf dem Foto sieht man Heiko nach der Invasion im Bad aufräumen. (Wir waren übrigens während des Vorfalls alle in der Schule).
Der Ozelot ist wieder daheim
Der Ozelot ist wieder gefangen! Endlich, wir freuten uns alle sehr, vor allem für Dauwe (der hat sich für den Ausbruch und das Wiedereinfangen verantwortlich gefühlt) und für die Trompeteros (die mussten seit dem Ausbruch in Gefangenschaft ausharren). Die Trompetervögel sind seither wieder völlig zufrieden in der Schule anzutreffen, wo sie sich über die Essensreste hermachen oder beim Fussballspielen helfen. Wenn man ihnen dann zwischendurch noch ein Insektenvieh aus dem Schulzimmer hinauswirft, trompeten sie vor Wohlbefinden.

Krankheiten aller Art I
Dauwe wurde kurz darauf schwer krank und musste nach Shell/Puyo ins Spital. Anscheinend hatte er irgendeine Krankheit, die von Rattenurin übertragen werden kann. Mir kam da nur Pest in den Sinn. Und euch? Inzwischen geht es ihm wieder gut.

Die zerquetschte Fledermaus
Wir haben in der Schule Wandtafeln, die wir wie Bretter an die Wand stellen. Sie sind ziemlich gross, einigermassen schwer und natürlich nirgends befestigt. Während Bettinas Unterricht ist eine dieser Tafeln umgekippt und hat Bettina und einen der kleinen Schüler am Kopf getroffen. Zum Glück ist nichts passiert. Als Bettina die Tafel wieder aufstelle, fand sie dahinter ein zerquetschtes Irgendetwas. Die Schüler meldeten sofort auf Spanisch, was es denn sei. Als sie merkten, dass Bettina nicht verstand, erklärten sie auf Deutsch: „Es fliegt, es fliegt.“ Schliesslich hat Bettina begriffen, dass gerade eine Fledermaus hinter der Tafel ihren Tod gefunden hat. Nach drei Minuten ging der Unterricht wieder weiter.

Krankheiten aller Art II
Mich hat ein heimtückischer Magen-Darm-Virus heimgesucht und für einen Tag vollkommen ausser Gefecht gesetzt. Ans Schule-Geben war nicht mehr zu denken. (Eine Volontärin hat das für mich übernommen, nachdem ich den Schülern kurz gesagt habe, woran sie arbeiten sollen). Aber wie der Virus gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Kurz und heftig. Und sehr unangenehm. Das sei typisch.

Der Tausendfüssler
Als ich so krank im Bett lag, sah ich innerhalb des Moskitonetzes über meinem Kopf einen Riesentausendfüssler. Ich finde solche Viecher in der Wohnung nicht so toll, geschweige denn in meinem Bett – und erst recht nicht, wenn ich krank bin. Aber auch daran gewöhnt man sich ein bisschen, kreischen tue ich jedenfalls nicht mehr so oft wie am Anfang.

Andere Länder, andere Sitten
Fabian, ein Schüler aus der Unterstufe, hat besonders Freude an Anja. Er streichelt sie oft und neckt sie, indem er auf mich zeigt und „Meine Mamá“ sagt, bis Anja reagiert. Er hat sie scheinbar einmal während der Pause auch geküsst, was ich eigentlich nicht so problematisch fand, denn Körperkontakt ist an der Schule viel weniger ein Tabu als in der Schweiz. Silvia, ein Mädchen aus meiner Klasse, hat mich aber dann darauf aufmerksam gemacht, dass ich besser zu Anja schauen müsse, sonst kriege sie keinen Mann mehr. Neugierig habe ich daraufhin bei Gloria nachgefragt, was es denn mit dem Küssen auf sich habe. Auf die Wange sei kein Problem, aber niemals auf den Mund, das dürfen nur Eheleute, meinte sie. Und dann sagte sie schon fast vorwurfsvoll, Fabian habe Anja auf den Mund geküsst und sie, und das sie betonte sie besonders, habe ihn zurückgeküsst. Und das sei ganz und gar nicht gut. Ob es denn etwas sei, das wir verbieten müssten? Ja, unbedingt, Anja dürfe dies nicht mehr machen. Es wurde mir klar, dass sich hier in Ecuador die Frau gegen „Übergriffe“ wehren muss, auch wenn sie erst drei ist. Und wenn ihr das nicht gelingt, ist sie die „Schuldige“. Das Ganze hat mich ziemlich aufgewühlt und wütend gemacht. Es ist für mich unverständlich, dass Gloria, die sich als Kichwafrau in ihrer Kultur auskennt, überhaupt nichts gesagt oder getan hat, da sie die Szene allem Anschein nach ja miterlebt hat. Wir haben mit Fabian gesprochen und es wird nicht wieder vorkommen. Er hat es ja auch nicht böse gemeint, dafür ist auch er noch zu jung.

Meine Schwimmerin
Anja hatte im Arajuno ihre ersten Schwimmerfolge! Sie konnte vom Ufer bis zu mir schwimmen, etwa 2-3 Meter, indem sie mit den Beinen schwaderte und mit den Armen den Armzug nachmachte. Ich finde das cool! In solchen Momenten vermisse ich es sehr, dieses Erlebnis nicht mit irgendjemandem teilen zu können, dem Anja auch so am Herzen liegt wie mir.

Nachtessen bei den Volontären
Wir waren bei den Volontären zum Nachtessen eingeladen. Die Schweizer Volontärin Julia machte extra für uns Kartoffelstock. Es schmeckte lecker! Da kam man auch ein bisschen mit den anderen Menschen ins Gespräch, die eigentlich für das gleiche Projekt arbeiten. Ich fand das sehr erfrischend, die Gespräche ins unserem Viererteam drehen sich doch oft nur um die Schule. Etwas zu denken gab mir die Aussage von Jodie, einer Australierin, die es schön fand, dass sie hier zum ersten Mal in ihrem Leben zwei Leute sich in einer anderen Sprache als Englisch unterhalten gehört hatte.
Eigentlich wollte ich Anja bei den Volontären ins Bett legen, das Zimmer neben der Küche war dafür vorgesehen. Nachdem ich einen Augenschein genommen hatte, bevorzugte ich allerdings unser sauberes, ordentliches Lehrerhaus mit dem sauberen, frischen Bett!

In die Falle gegangen…
Und dann gibt’s noch etwas sehr Erfreuliches zu berichten: Wir hatten einen Fangerfolg. Die Ratte ist uns endlich, nach wochenlangem Kampf, nicht mehr auf die Nerven, sondern in die Falle gegangen. Den Ozeloten hat’s geschmeckt…

Krankheiten aller Art III
Geschwächt von meiner kurzen Magen-Darm-Geschichte war mein Immunsystem wohl mit einem entzündeten Mückenstich überfordert. Der Mückenstich auf meinem Unterarm wurde rot und schmerzte und es bildeten sich diese berüchtigten roten Striemen in Richtung Ellbogen, die eine Blutvergiftung ankündigen. Nicht sicher, ob meine Diagnose stimmt, eilte ich durch den heftigen Regen zu Angelika. Sie bestätigte mir, dass es sich um eine leichte Blutvergiftung handle und empfahl mir, viel Zugsalbe aufzutragen, manchmal könne man die Infektion so noch stoppen. Ich solle mich am Mittag wieder melden, wenn die Blutbahnen sich weiter entzündeten. Das taten sie leider und ich kam nicht um die allererste Antibiotikakur meines Lebens herum. Es gibt mir ein gutes Gefühl, dass Angelika so kompetent ist. Sie wusste genau, was zu tun ist, hat riesige Vorräte an allen möglichen medizinischen Mitteln und nimmt „Patienten“ immer ernst. Ich fühlte mich hier mitten im Dschungel mit einer Blutvergiftung in guten Händen. Trotzdem möchte ich eine weitere möglichst vermeiden. (Mit den tausend Ratschlägen, die ich in der Zwischenzeit bekommen habe, wie man Entzündungen am besten verhindere, sollte dies kein Problem mehr sein.) Denn nicht nur die Vergiftung, auch die Nebenwirkungen von Antibiotika sind nicht zu unterschätzen.

Was essbar aussieht, wird gegessen I
Am Freitag in der letzten Lektion ist jeweils grosse Putzaktion angesagt. Die Kinder haben ihre Ämtli und erledigen diese eigentlich ziemlich zuverlässig. Unter anderem wird auch der Abfall der ganzen Woche auf der grossen (und ziemlich ekligen) Feuerstelle des amazoonico verbrannt. Offensichtlich hat Angelika ihre alten Medikamente (mein Antibiotika war übrigens auch abgelaufen) auf den Gitterrost geworfen, aber nicht angezündet. Auf jeden Fall kamen die Schüler von der Feuerstelle zurück, etwelche Pillen lutschend. Wieder dank Silvia, meiner aufmerksamen Schülerin, konnten wir schnell reagieren.

Was essbar aussieht, wird gegessen II
Ich kann mich noch nicht ganz an diese indianische Essregel anpassen und verweigere immer noch die Hühnersuppe mit den ganzen Hühnerbeinen drin. Vielleicht versteht ihr mich?
Die Post ist da!
Wir alle freuen uns immer riesig über Post aus der Heimat. Hier mitten im Dschungel einen Brief mit einem Stempel aus einem Schweizer Dorf zu bekommen, weckt richtiggehend patriotische Gefühle, kaum zu glauben. Es ist wohltuend, die Zuverlässigkeit der Schweizer Post bis hierhin zu spüren, die Briefe brauchen meist nur eine Woche. Okay, zugegeben, manchmal kommen sie auch gar nicht an.
Das Zurückschreiben ist dann eine ganz andere Sache. Ich mach’s gerne und gebe mir auch redlich Mühe, sogar unter erschwerten Umständen, wie das Foto in Vätus Blog beweist, dennoch ist es nicht ganz einfach. Ist der Brief mal geschrieben, sollte er so zugeleimt werden, dass ihn die feuchte Umgebungsluft nicht wieder zu lösen vermag. Dann muss er einem willigen Volontär mitgegeben werden, der ihn an seinem freien Tag in Tena auf der Post abgeben kann. Ist die Post aus irgendeinem Grund (meist gibt’s ja gar keinen) geschlossen, hat man Pech. So etwas wie Briefkasten habe ich Ecuador noch nie gesehen. Auch Marken sind mir noch nie begegnet. Man bezahlt den Dolar, den der Brief kostet, gleich am Schalter. Und bitte den Betrag genau bezahlen, auch auf der Post haben sie vielfach nicht genug Wechselgeld. Schliesslich muss man sich nur noch in Geduld üben, Post aus Ecuador braucht erfahrungsgemäss 2-3 Wochen bis sie die Schweiz erreicht. Es ist auch schon vorgekommen, dass später abgegebene Briefe die früheren unterwegs überholt haben…








Liana Lodge
Etwa 20 Minuten Fussmarsch durch den Dschungel, Anja im Huckepack, kostet der kleine Ausflug in die Liana Lodge, den wir uns zwischendurch leisten. Aber es lohnt sich, und sei es nur, um ein bisschen andere Luft zu schnuppern.

Die Riesenheuschrecke
In den letzten Wochen haben wir fast täglich ein riesiges Insektenvieh mit unseren grossen Aluminiumpfannen in unserem „Schlafestrich“ eingefangen und nach draussen befördert. Obwohl es mir, wie schon geschrieben, überhaupt nicht behagt, diese Tiere dort zu haben, so ist es doch eine optimale Gelegenheit, die Tierwelt Ecuadors besser kennen zu lernen.

1 comment:

Brigitt said...

Liebe Annelies
Eigentlich sollte ich Dir ja nicht erzählen, wenn du mich zum weinen bringst, aber ich muss. Mit dem Wunderschönen Bild von Anja. Elena hat mich aber dann getröstet und mir gesagt: ne, nei mueti si chunnt jo wieder. Gut ich werde mir Elenas Worte zu Herzen nehmen und einfach warten, bis dahin ein heftiges Drückeli von mir.