Dienstag, 2. OktoberSchulausflug, TenaWir verbrachten diesen Tag mit dem SYH (allerdings ohne Kindergarten, aber mit Anja und Kayla), mit Christine von Steiger und ihren vier Schweizerschülern in Tena. Schon bei der Busfahrt

in die „grosse“ Stadt merkte der geübte Beobachter ein paar Schülern an, dass dies nicht Alltag war. Einige sprachen kein Wort mehr, andere sagten immer wieder: Schau, Maestra, schau… und die dritten nahmen plötzlich eine Hand einer Maestra und liessen diese nicht mehr los. Die älteren Schüler waren wohl schon mehrmals hier, sie zeigten sich denn auch weniger beeindruckt.
Wir hatten gemeinsam einen Orientierungslauf organisiert, auf den wir die Schüler nach einem Almuerzo (Mittagsmenu) für 1.50$ nun in Gruppen schickten. Wir überforderten unsere Indianerkinder mit den Aufgaben. Viele der Kleinen gingen die zweite Runde schon gar nicht mehr mit, kletterten stattdessen lieber auf die Bäume, die am Rio Pano stehen, und assen einen Apfel. Im Laufe des Nachmittags tauchten plötzlich Ralf und Nadine auf, zwei ehemalige Dschungellehrer (04/05), die hier ihre Ferien verbringen wollen. Die Schüler grüssten, als sei dies nichts Aussergewöhnliches: Hallo, Profe Ralf, hallo, Maestra Nadine. Als hätten sie die beiden erst gestern noch gesehen. Und wir staunten einmal mehr über die Kulturunterschiede… Es ist so, wie es ist. Ralph und Nadine sind da. Fertig.

Nach diesem für die Kinder und für uns anstrengenden OL war Baden oder Einkaufen angesagt. Die Älteren entschieden sich für Letzteres, ich ging mit den Jüngeren baden. Weil die Zeit dann noch gut reichte, gingen auch wir auf Einkaufsbummel. Von den 5 Indianerkindern (1. und 2. Klasse) hatten zwei kein Geld von den Eltern mitbekommen, ich schenkte ihnen je 50 Centavos. Keines der beiden bedankte sich. Es ist so, wie es ist. Vorhin hatte ich keine Centavos, jetzt habe ich Centavos. Fertig. Es fiel mir auf, dass die Kichwakinder die Prioritäten beim Einkaufen völlig anders setzten als wir. „Ich will kaufen“ hiess es immer wieder. Und dabei schien es vollkommen egal zu sein, was. So nach dem Motto: Ich habe Geld, das gebe ich aus. Mein Vorschlag, doch das Geld bis Morgen zu sparen, falls sie nichts Vernünftiges fänden, und sich dann ein Eis zu kaufen, stiess auf Unverständnis. Warum bis Morgen warten, wenn man schon heute etwas kaufen könnte? Die Idee des Sparens, des Einteilens von Geld, ist ihnen fremd. Und so fanden sich am Abend im Hostal dann Spielzeuge, die getrost im Ladenregal hätten bleiben dürfen und aus deren Kaufspreis man viele sehr nützliche Dinge für einen indianischen Haushalt hätte kaufen können. Aber warum den Haushalt aufbessern, wenn er so ja funktioniert? Er ist so, wie er ist. Fertig.
Die Kinder übernachteten immer zu zweit in einem Bett. Und obwohl die meisten zu Hause auf dem nackten Boden schlafen (oder während der Schulfiesta im Bücherregal), nahmen sie die

weichen Matratzen gelassen hin. Es ist eben so, wie es ist. Heute weiche Matratzen, Morgen Betonboden. Fertig.
(Ihr merkt, ich wiederhole mich. Aber diese komplett andere Sichtweise unserer Indianerkinder erstaunt mich immer wieder. Und diese Sichtweise ist auch der Grund, warum Kichwakinder kaum zu beeindrucken sind.)
Mittwoch, 3.Oktober
Schulausflug, MisahualliNach einer Avena, die übrigens immer Heiko macht, obwohl er sie nie selber essen würde, ging es mit dem Bus nach Misahualli. Dieses kleine Dorf ist ähnlich gross wie Ahuano, aber mit etwas Tourismus.
Aus dem Reiseführer (
noch nicht genutzten Wald) gibt es hier so gut wie keinen mehr, jedoch teils „wiederbelebten“ Sekundärwald, der dazu einlädt, die Flora und unzählige tropische Vögel, Insekten und sonstige Bewohner des Regenwaldes zu studieren. Am Strand des Ortes lassen sich oft Affen (>sehr freche Kapuziner) beobachten. Die Unterkünfte der kleinen Ansiedlung sind bescheiden, angepasst dem Leben im Regenwald. Der sonntägliche Markt lässt den sehr ruhigen Hafen von Misahualli aufleben: Viele Indianer aus der nahen Umgebung erscheinen, um ihre Einkäufe zu tätigen.
Am Fluss befindet sich ein kleiner Bootssteg und die Hafenbehörde registriert jeden Besucher (>warum uns nicht? Wohl weil „jeden registrieren“ auf ecuadorianisch „jeder zehnte reicht“ heisst) vor der Fahrt auf dem Río Napo und gibt mit einem Passstempel grünes Licht für eine Reise auf den Spuren von Francisco de Orellana.
In Misahualli besuchten wir eine öffentliche Schule, was ein sehr ernüchterndes (schon fast wieder erheiterndes) Erlebnis war. Es ist unglaublich laut in diesen Klassenzimmern, die Kinder rennen umher, schwatzen oder beschäftigen sich anderweitig. Schüler und Lehrer schreien. Eine Antwort wird vom Lehrer nur dann akzeptiert, wenn sie von der ganzen Klasse laut gerufen wird. Der Lehrer selbst erlaubte sich an der Tafel einen spanischen Rechtschreibefehler, der Cristian, einer meiner Schüler, auch gleich bemerkte. Das Ganze war so chaotisch, dass es uns Europäer unmöglich dünkt, in einer solchen Atmosphäre überhaupt etwas zu lernen. Fazit: Auch wenn ich im SYH mal nicht so gut Schule gebe, meine Didaktik und Methodik hinterfragt werden kann, der Unterricht wird auf jeden Fall immer noch besser sein als der in der öffentlichen Schule. Und das beruhigt doch ungemein, auch wenn ich nicht vorhabe, mich deswegen weniger zu engagieren.
Nach einer sehr leckeren Merienda (Unter anderem Yukafladen! Ich liebe es) war Baden am schönen Sandstrand von Misahualli angesagt. Die Schüler spielten mit toten Fischen
(höchstwahrscheinlich leider „Abfälle“ vom Dynamitfischen), buddelten sich ein, schwammen und planschten. Auch Anja war begeistert mit von der Partie, auch wenn sie nach diesen anstrengenden Tagen doch recht müde war. Für 120 Dolares kauften wir uns zwei Kanufahrten von Misahualli den Napo runter und den Arajuno rauf. Diese Bootstour erwies sich dann als Erlebnisparcours, weil die Motoristas eine frühe Zwischenverbindung von Arajuno und Napo nehmen wollten, um Weg und damit Treibstoff zu sparen. Dieser Verbindungslauf war aber nicht schiffbar und so mussten wir einige Male aussteigen und, mit den
Hosen im knietiefen Wasser, das Kanu stossen helfen. Da die Motoristas auch sonst nicht unbedingt kompetent schienen, ereigneten sich noch weitere unterhaltsame Zwischenfälle (das Boot kippte fast, wir verpassten die Anlegestelle, weil nicht richtig manövriert wurde, wir nahmen den falschen Wasserlauf und gerieten in Rückstand…).
Ich fand die beiden Tage sehr spannend und lehrreich, aber auch anstrengend. Da Christine von Steiger, die Besitzerin der Schule da war, wusste ich nie, ob die Entscheidung/ Organisation nun bei mir läge oder bei ihr. Folglich mischten alle Lehrer etwas mit, und da immer wieder „bilateral“ etwas abgemacht wurde, waren selten alle Lehrkräfte auf dem gleichen Informationsstand. Und so mussten wir viel mehr improvisieren, als wenn jemand alleine die Verantwortung gehabt hätte.
Informationsaustausch, das war für mich sowieso das Thema, das noch angeschnitten werden musste. Und tatsächlich fand sich am Abend noch Zeit, all die Punkte, die schon länger unter den Fingernägeln brennen, mit Christine zu besprechen.
2 comments:
Diese Erlebnisse vermisse ich: nicht die ausgefallenen, wahnsinnigen, sondern nur die gewöhnlichen, alltäglichen... Anne, erzähl noch mehr davon, bitte, ....
Vätu
Wieder einmal habt Ihr vieles gesehen und erlebt. Dass vom Heute egal was morgen, täte uns Schweizern manchmal doch auch gut. Obwohl, ein bisschen von unserer disziplin, täte den Ecadorianern auch gut.
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