Liebe Daheimgebliebenen,hier ein paar „Müsterli“ aus der ecuadorianischen Selva, aus der Dschungelstadt Tena oder der Hauptstadt Quito.
Vulkanismus oder wenn die wissenschaftliche Erklärung zu einfach istMit „meinen“ grossen Schülern nehme ich im Moment Vulkanismus durch, was diese auch sehr interessant finden. Allerdings muss ich beim Unterrichten überraschenderweise aufpassen, wie ich mich ausdrücke, denn das Thema ist inhaltlich und im übertragenen Sinn heiss.
Wir schauten uns den Aufbau der Erde genau an. Mit dem Erdkern, dem Erdmantel, der sehr dünnen Erdkruste, so wie sich den die Forscher heute vorstellen. Gleichzeitig zeigte ich ihnen eine Zeichnung aus dem vorletzten Jahrhundert, die das ganze Innere unserer Weltkugel als (katholische) Hölle darstellt. Dazu sagte ich etwas wie: „Früher machte man sich auch schon Gedanken, was sich unter unseren Füssen wohl befinden könnte, und malte sich schauerliche Sachen aus. Heute weiss man, dass die im Innern unserer Weltkugel nicht die Hölle ist.“ Darauf kamen so erstaunte, ja sogar erboste Bemerkungen der Schüler, dass ich ausweichend eingestehen musste: „Man hat sie auf jeden Fall bis heute noch nicht gefunden.“
In einer anderen Lektion fragte ich, mehr um meine eigene Neugier zu stillen, wer den einen Vulkan zum Ausbrechen bringe? Die Antworten waren vielfältig: das macht er alleine, Gott, Götter. Interessant war die Antwort auf diese Frage: Welches denn die Vorzeichen eines Vulkanausbruches sein könnten? – Wenn alle Tiere, denen man im Wald begegne, schwarz seien, dann wisse man, dass ein Vulkan ausbrechen werde.
FälschungsbewilligungIch durfte an einem der letzten Wochenende auf der Post in Tena ein Paket in Empfang nehmen und musste die üblichen 25 Centavos bezahlen und einen Beleg unterschreiben. Nebst der Unterschrift darf auch die Passnummer nicht fehlen. Diese Nummer kennt der Ecuadorianer auswendig, weil er sie immer irgendwo aufschreiben muss. Die Schweizerin hingegen hat keine Ahnung, (ausser vielleicht, dass das Ganze mit „F“ beginnt), was inzwischen ziemlich ärgerlich ist, denn so ein paar Zeichen auswendig zu lernen ist doch keine Sache. Deshalb fragte ich den Beamten leicht genervt, aber im Scherz: „Kann ich die Passnummer auch erfinden?“ Seine lakonische Antwort: „Por supuesto – selbstverständlich.“
Verkäufliche WerbegeschenkeWerbegeschenke sind Produkte, die der Hersteller den Läden gratis abgibt, damit diese sie zwecks Werbung an die Kunden weiter schenken, daher ja auch der Name, stimmt’s? Nicht so in Tena. Dort zahlten Anja und ich für eine mit „Werbegeschenk“ angeschriebene Kaugummischachtel 50 Centavos. Die Müsterli schmeckten fein und waren das Geld auf jeden Fall wert, auch wenn sie eigentlich nichts hätten kosten dürfen.
Frau am SteuerKürzlich blieb ich für einen Augenblick verdutzt stehen, weil neben mir ein Auto mit einer weiblichen Lenkerin durchfuhr. Erst dann realisierte ich, dass dies ein seltenes Bild ist in Tena. Frauen mit vielen Kindern – ja, Frauen am Steuer – eher weniger.
Steuerbetrug ist globalAlle erforderlichen Rechnungen von Anjas Zahnunfall für die Schweizer Versicherung zusammen zu bringen, erwies sich als eine anstrengende Beschäftigung. Viele stellen nicht freiwillig eine Rechnung aus, denn diese müsste man dann auch bei den Steuern angeben. So drücken sie dem unwissenden Ausländer lieber einen Beleg in die Hand, der aussieht wie eine Rechnung, aber offiziell keine ist. Das Eintauschen des Belegs gegen die eigentliche Rechnung kostete mich dann, als ich den Trick bemerkte, einen Nachmittag.
TaschenrechnerAm Kindergarteneinweihungsfest klaute jemand aus meinem Pult einen Taschenrechner, der das Kopfrechnen trainiert. (Immer wenn die Schüler das Resultat richtig eingeben, wackelt ein Professor auf dem Display mit dem Schnauz.) Obwohl ich die Kinder der Schule alle bat, mir doch den Rechner wieder zu bringen, falls sie ihn zu Hause hätten, blieb er unauffindbar. Bis vor kurzem. Da tauchten in der Schule abgerissene Teile des Klebers auf, mit dem der Taschenrechner überzogen war. Mitgenommen hatte die Teile ein Mädchen, welches diese im Haus von Jaime gefunden hatte und mir zeigen wollte. Jaime Junior hätte den Rechner damals mitgehen lassen.
Da ich nicht sicher war, wie man nun vorgehen sollte, fragte ich Angelika um Rat. Sie meinte, ihr Mann Remigio würde mit Jaime sprechen. Das sei eine heikle Angelegenheit, weil es wichtig sei, dass Jaime nicht sein Gesicht verlöre.
Jetzt warte ich gespannt auf den Ausgang der Geschichte…
Die entzückte ZahnärztinDie Zahnärztin war zufrieden mit Anjas Heilungsprozess. Allerdings konnte sie fast keinen Satz zu Ende formulieren, weil sie immer wieder begeistert ausrief „Qué preciosa, qué linda, qué bonita chica!“ und dem verdutzten Mädchen in die Wangen kniff und Küsse aufdrückte. Ich staune, wie sehr die weisse Haut kombiniert mit roten Lockenhaaren zu faszinieren vermag. Oft starren Leute auf der Strasse Anja an, einige berühren sie sogar. Anja nimmt es gelassen.
Falscher AlarmWährend unseres Quitoaufenthaltes logierten wir wieder im Hostal von Cometa Travel. Ich nutzte die Gelegenheit, abends in aller Ruhe am Weihnachtstheater zu arbeiten und wollte mir anschliessend noch eine Tasse Zitronengrastee auf dem Balkon gönnen und die Aussicht auf die Lichter von Quito geniessen. Dabei vergass ich, dass in Quito die meisten Häuser eine Alarmanlage haben, die nachts aktiviert wird. Laut und durchdringend setzte sie ein und liess mich vor Schreck die Balkontüre wieder zuschlagen. Natürlich wollte ich sofort die beiden Frauen in der unteren Wohnung von meinem Faux-pas unterrichten und ihnen die Angst nehmen, was die geschlossene Haustür aber verunmöglichte. Da fiel mir ein, dass Maya mir im Oktober erzählt hatte, auf jeden Alarm reagiere die Polizei (eine private, selbstverständlich) mit einem Anruf. So wartete ich einige Minuten, bis tatsächlich das Telefon klingelte. Ich erklärte dem Mann am Apparat und Veronica, die in der unteren Wohnung auch am Hörer hing, in gebrochenem Spanisch meine Dummheit und entschuldigte mich überschwänglich. Am nächsten Morgen erzählte mir Veronicas Mutter, dass sie meine Aussage nicht beruhigt hatte und sie sich nicht sicher waren, ob ich nicht mit einer Waffe bedroht worden war, das Telefon abzunehmen. Deshalb liessen sie dann trotzdem noch die Polizei kommen.
Das Ganze war mir sehr peinlich.
Touristenfalle im Bus Quito-TenaMeine Erfahrungen aus 5 Monaten Ecuador haben letzten Dienstag geholfen, unsere ganzen Wertsachen vor Diebstahl zu bewahren. Morgens früh stiegen wir in Quito in den Bus nach Tena und mussten unüblicherweise schon vor der Abfahrt die Fahrkarte zeigen. Ich stutzte etwas, tat aber wie geheissen. Dann bat mich der Bushelfer, meine ganzen Dinge ins Handgepäckfach zu legen. Auch diese Aufforderung kam mir seltsam vor, verstaute aber gehorsam Anjas Rucksack und zwei Geschenkpapierrollen im Fach. Meine Handtasche mit Portemonnaie, Ausweisen, Kreditkarten, Stick und persönlichen Sachen nahm ich wie immer mit auf den Sitzplatz. Da forderte mich der Bushelfer auf, auch diese ins Handgepäckfach zu legen, worauf ich ihm entschieden antwortete: No, diese Handtasche ist mir zu wertvoll, die bleibt bei mir. Er hakte noch einmal nach, beteuerte, dass der Tasche schon nichts passieren würde. Zum Glück blieb ich dabei.
Als der Bus nämlich losfuhr, war vom „Bushelfer“ nichts mehr zu sehen. Das richtige Busteam war inzwischen eingestiegen, mit dem richtigen Bushelfer, der uns ein paar Minuten später darauf aufmerksam machte, alle Wertsachen aus dem Handschuhfach zu nehmen, da sie sonst gestohlen werden könnten.
Als ich die Geschichte Angelika erzählte, meinte sie, das sei einer der ältesten Tricks Touristen auszurauben. Und ich solle davon ausgehen, dass das richtige Busteam vom falschen Bushelfer wusste und vielleicht sogar Provisionen einheimste.
Viva Ecuador!