Wednesday, July 25, 2007

Reise von Quito in den Dschungel (von Röbu)

Reise in die Selva (Amazoonico)

Am Freitag 20. Juli geht’s (endlich) ab in den Tschungel. Bei Maria war es wirklich nicht gemütlich, und vor allem nicht gastfreundlich. Um 5 Uhr rasselt Annes Wecker. Wir packen noch die restlichen Sachen zusammen und warten auf das vorbestellte Taxi. War es nun schon hier und ist wieder weg (wegen man weiss ja nie) oder kommt es noch? Wir können kein Risiko eingehen und Anne holt ein Taxi von der Strasse. Dem Fahrer ist nicht recht wohl bei der Sache (wegen man weiss ja nie). Auf alle Fälle sei er so gefahren, dass er jederzeit hätte durchstarten können, wenn es ein Hinterhalt gewesen wäre. Die Fahrt ist aber dann gut und direkt. Nur >Türen schletzen<>No<. Sie legt halt noch etwas drauf. Wer halt dumm fragt …. Nach einer guten halben Stunde wird dann auch wirklich gefahren: die erste Stunde nur so etappenweise. An jeder Ecke ruft der Bushelfer, der an der offenen Türe steht >Tena, Tena, Tena<>Die steilen Bergflanken neigen zum Abrutschen und die Strasse sieht oft danach aus. Auf der anderen Seite geht’s atemberaubend runter in unübersichtliche Tobel. Einen Halt in einer Raststätte kann man nicht beschreiben, den kann man nur erleben. Er ist als kurzer Erleichterungshalt gedacht, aber Fahrgäste bestellen sich (was ist schon dabei) schnell ein Menü. Man wartet halt einfach; das ist normal. Immer weiter ostwärts geht es und bald haben wir die Wasserscheide Richtung Napo-River / Amazonas definitiv überfahren. Nun deutet sich der Uebergang in eine endlose Tiefebene an. Zirka 2500 m an Höhe haben wir von den Bergen nach Quito bis Tena abgegeben, teilweise über sehr schlechte Strasse mit Schlaglöchern und anderen Hindernissen. Tena ist (für Schweizeraugen) ein Kaff wie jedes andere hier. Nun beginnt es im dümmsten Moment noch zu regnen. Angelika, die Chefin von Amazoonico holt uns ab. Nach dem Verlad im strömenden Regen freuen wir uns auf den Einstieg in den Pick-up. Aber Hallo: hier sind die Plätze schon belegt durch ihre Kinder. Wir quetschen uns also irgendwie rein und fahren über mal gute, mal schlechtere Strasse Richtung Santa Rosa de Napo. In Puerto Barantillo (der Name diese „Hafenstadt“ schlägt den Ort tot), steigen wir um ins Kanu. Kein freundlicher Empfang durch Petrus. Wir verladen unser sorgsam gehütetes Gepäck in die Pfützen im Kanuboden.

Letzte Etappe der Reise: mit dem Kanu zur Schule

Ernüchtert steigen wir ein und lassen uns die kurze Fahrt ins Ungewisse trotzdem gefallen. Die Anlegestelle Amazoonico verspricht auch nicht gerade viel. Ja, wir schauen mal. Vielversprechend ist jedoch, dass das einzige Haus, das man vom Fluss aus sieht, das Lehrerhaus ist. Demzufolge werden wir die einzigen sein mit Sicht auf den Fluss Arajuno.

... es muss ja nicht immer ein Hund sein, oder...

Das Haus ist nicht gut, aber doch scheint es bewohnbar. Wir richten uns so gut es geht ein. Nicht viel später macht sich Anne schon in der Küche zu schaffen und es gibt bald einmal die erste exotische Malzeit. An den Gittern ringsum (Fenster gibt es ja keine) hangen die Affen und schauen den Neuankoemmlingen zu. Die Zutaten durften wir uns aus der gemeinsamen Camp-Küche holen. Ja, Hygiene wird hier nicht gerade gross geschrieben, dem Küchenlager nach zu schliessen. Wir trösten uns damit, dass ja hier doch tatsächlich Leute tagtäglich überleben. Anja inspiziert den oberen Stock



Angelika lädt uns zum Nachtessen in die >Liana Lodge< ein. Leider kann Annelies nicht kommen, sie muss mit Anja schlafen gehen. Angelika lässt uns dort zuerst stehen wie bestellt und nicht abgeholt. Dann aber sind wir Tischgäste und werden sehr gut bedient. Der Schulbetrieb ist das Hauptthema mit Heiko und Jana. Bereits um neun, 3 Stunden nach Einbruch der Dunkelheit, kriechen wir erstmals unter die Moskitonetze, die wir am Nachmittag über die Liegen, bzw Matrazen gespannt haben.

Thursday, July 19, 2007

19. Juli Bürokratie-Dschungel

Endlich, morgen geht’s los!
Wir werden um 6.00 Uhr am grossen Busbahnhof sein und den erstbesten Bus nach Tena nehmen! Wir sind alle erleichtert. Denn bis es jetzt so weit war, ging viel Wasser den Amazonas hinunter.

Angefangen hat alles am Montag: Ich wollte mit Anja auf das Ministerium für Ausländer, weil ich dort unsere Visa zur Gegenunterschrift zeigen und den Heimatschein abgeben musste. So hat man mich jedenfalls in der Schweiz auf der ecuadorianischen Botschaft und auf der Gemeinde Walterswil instruiert. Ich nahm sicherheitshalber jegliche Dokumente mit, vom Impfausweis über Pass bis Arbeitsbestätigung und Flugticketnachweis.
Dort angekommen fragte ich mich durch, was sicher eine halbe Stunde dauerte, bis mir jemand sagen konnte, dass ich am falschen Ort sei. Sie drückten mir einen minuziösen Zettel in die Hand, kleiner als ein Feuerzeug, auf dem die Adresse einer Zweigstelle stand. Diese hat allerdings nur von 9 bis 14 Uhr geöffnet, wir waren also schon zu spät und verschoben das Ganze auf Dienstag.

Dienstag: Morgens um halb zehn machten wir uns erneut auf den Weg. Wir winkten einem Taxi und ich zeigte dem Fahrer den kleinen Adresszettel. Da er nicht lesen konnte, las ich ihm die Strassennamen vor, was er anfangs wegen meinem Akzent nicht verstand. Doch schliesslich waren wir am richtigen Ort, an einem Ort, wo ich niemals ein Ministerium für Ausländer erwartet hätte.
Im Gebäude warteten etliche Leute, auch wir gesellten uns dazu, als uns nach etwa 10 Minuten jemand erklären konnte, wo wir uns anstellen müssen. Wir warteten. Ich hatte ein Nummernticket bekommen, das allerdings nicht viel nützte, da mit meiner Nummer noch viele andere aufstanden und zu einem Beamten gingen.
Schliesslich fanden wir einen Beamten, der Zeit für uns hatte. Ich legte ihm alle meine Dokumente vor, zuversichtlich, dass die Sache bald abgewickelt sein würde. Schliesslich hatte ich ja alle Dokumente, die ich laut Botschaft haben müsste. Und ich wollte mit Anja noch in den Park, die lange Warterei hatte sie etwas quengelig gemacht.
Der Beamte meinte dann, mir fehlten die Kopien zum Pass. Ich erklärte ihm lachend, dass ich diese zu Hause gelassen habe, da ich ja das Original bei mir trüge. Das Argument liess er nicht gelten, er wollte Kopien von meinen Pass. Ich forderte ihn auf, meinen Pass doch schnell zu kopieren, was wiederum ihn fast zum Lachen brachte. Offensichtlich haben die ihm ganzen Ministerium keinen Kopierer und zudem sei es sowieso meine Sache, die Dokumente vollständig zusammenzutragen. (Wer nimmt schon eine Kopie des Passes mit, wenn er den Pass selber dabei hat? Die könnten pro Tag etliche Kopien verkaufen, zu einem sehr guten Preis, hätten sie einen Kopierapparat. Von der Verbesserung der Dienstleistung ganz zu schweigen…)
Ausserdem stellte sich heraus, dass ich ein Mäppli für meine Dokumente mitbringen müsse, wie sollten sie sonst die Papiere archivieren? Klar. Und das Ganze kostete 20 Dolares, die ich auch sogleich bezahlen wollte. Das ging aber nicht. Die müssten auf der Banco Internacional einbezahlt werden. (Ecuador ist ein sehr korruptes Land, Geld das nicht einbezahlt wird, verschwindet in die Taschen der Angestellten, liess ich mich später aufklären.) Erst durch mein Nachfragen rückte er mit der Kontonummer raus, die ebenfalls wieder auf einem Fresszettel wurde notiert. Auf dessen Rückseite war die Kopie eines anderen Passes, wo alle persönlichen Angaben eines Mannes aus Chile nachzulesen waren. Ich fragte mich unweigerlich, wem meine Kopien wohl später als Notizpapier dienen würden. Dann wollte ich ihm noch meinen Heimatschein geben, den er aber ganz und gar nicht brauchen konnte.
Inzwischen doch etwas verunsichert, ob ich wirklich alles richtig verstanden habe (da mir für ein schönes Beamtenspanisch doch einige Vokabeln fehlen) und etwas gereizt, weil ich die Sache mit dem Geld, den Kopien und dem Mäppli fast nicht fassen konnte, machte ich mich mit der zwar tapferen, aber mittlerweile „rauigen“ Anja auf den Weg zur Schweizer Botschaft.
Dort stellte sich heraus, dass ich den Heimatschein auf der Schweizer Botschaft abgeben müsse. Gott sei Dank! Ich füllte ein typisch Schweizerisches Dokument aus, mit Angaben zu fast allem aus meinem bisherigen Leben, eigentlich verwunderlich, wollten sie nicht noch meine Körpchengrösse wissen… Inzwischen musste Anja auf die Toilette, die im ganzen mehrstöckigen Gebäude mit lauter öffentlichen Ämtern nicht zu finden war. Ein Guard erklärte mir nachher, die nächste sei wohl im Park, etwa ein halbe Meile entfernt. Und eine Angestellte meinte, das Mädchen könne ja sicher noch ein bisschen verklemmen, schliesslich sei es ja schon sechs. Nein, drei! Meine Verzweiflung ob der ganzen Bürokratie liess sich nicht mehr so gut verstecken und man erbarmte sich unser. Wir durften durch die Hochsicherheitsschleuse in das Innere der Schweizerischen Botschaft und Anja konnte endlich aufs WC.
Schliesslich musste ich meine Pässe abgeben, damit sie diese kopieren konnten. Na, wenigstens hatten die Schweizer in Ecuador einen Kopierapparat. Ich fragte, ob sie gleich ein Doppel machen könne, dann wäre das für das Ministerium schon erledigt. Da erfuhr ich zum Glück, dass das Ministerium farbige Kopien bräuchte, alles andere würde nicht akzeptiert, darauf wäre ich ja nie gekommen.
Also machten wir uns auf die Suche nach einem Geschäft, das farbig kopieren konnte, und nach der Banco Internacional. Letztere fanden wir nicht und inzwischen war das Ministerium geschlossen, ich musste also morgen mein Glück erneut versuchen.

Mittwoch: Um 8.30 Uhr fand ich mich vor der Banco Internacional ein, ein Freund meiner Hostmother hatte uns dort hingefahren. Leider öffnete die Bank erst um 9.00 Uhr, d.h. um 9.10 Uhr gingen die Türen auf. Ein netter Guard erklärte mir, wie ich die Einzahlungen zu bewerkstelligen habe und es war wirklich keine grosse Sache.
Etwas später war ich erneut im Ministerium, zeigte alle meine Dokumente und wollte schon gehen, als der ecuadorianische Beamte erklärte, morgen könne ich die Pässe mit der Unterschrift abholen. Mich traf fast der Schlag. Jetzt war ich da, jetzt wollte ich die Unterschrift in meinen Pass. Ich begann zu diskutieren und argumentieren, bis er mich schliesslich zum Doctor Ponce schickte, der grosse Unterschriftenverteiler himself. Allerdings kam ich da nicht weiter, vor der Türe wurde ich von einem Guard abgewiesen. Schliesslich entschied ich mich, aufdringlich zu sein und einfach nicht vom Pult des Beamten zu weichen. Nach etwa einer Stunde hatte ich die Unterschrift und bedankte mich überschwänglich.
Um 11.00 Uhr war mein Treffen mit Heiko und Jana, meinen zukünftigen Teamkameraden, wir mussten uns beeilen. Wie froh war ich, als ich die beiden traf! Das hatte geklappt, juhui! Ich fragte sie, aus einer Intuition heraus, ob sie das Visum schon hätten. Ja, war die Antwort, sogar auf einem separaten Blatt mit Foto. Eben jenes Blatt, das man innerhalb eines Monats im Ministerium abgeben müsste. Wir handelten sofort, da eben dieses Ministerium ja um 14.00 schliessen würde. Wir gingen zur Bank, zahlten 20 Dolares ein, packten die Bestätigung und suchten ein Kopierladen, machten die 6 Farbkopien und fanden uns um 12.30 Uhr wiederum im Ministerium ein. Wir suchten „meinen“ Beamten auf. Er anerkannte alle Dokumente von Heiko und Jana, meinte aber ziemlich gelassen, heute könne er nichts mehr tun, der Doctor unterschreibe nicht mehr. Bei mir habe er nur deshalb eine Ausnahme gemacht, weil ich ein Kind hätte. Der Doctor befand sich aber noch im Haus, keine 20m von uns entfernt! Ich zog alle Register: wir machen Freiwilligenarbeit in Ecuador, wir wollen morgen abreisen, wir verdienen ein Jahr lang kein Geld, es pressiert, weil die Visumsfrist schon abgelaufen sei,… Oha! Das letztere Argument griff er auf: Das sind 200 Dolares Strafe, pro Person. Wir konnten es kaum glauben. Er sagte, wir sollen am Montag wieder kommen, vorher könne er nichts tun. Ich bettelte um eine frühere Frist, ich wollte nicht noch das ganze Wochenende in Quito auf unsere Abreise in den Dschungel warten. Wir könnten ja sonst morgen vorbeischauen, nicht dass er sich viel davon verspreche, und schon gar nicht vor 11 Uhr, dann arbeite der Doctor noch nicht.
Am Abend besprach ich die Geschichte mit Maria, meiner Hostmother. Sie meinte, wir hätten den Beamten wohl bestechen müssen! Aber nun sei es zu spät und wir sollen nach anderen Lösungen suchen. Schliesslich kontaktierte ein Freund unserer Hostmother einen seiner Freunde, der Anwalt war und uns helfen würde, sollte es am Donnerstag nicht mehr klappen. Maria schärfte mir ein, mich nicht mehr auf dem Ministerium blicken zu lassen. Aus ecuadorianischer Sicht stand ich in der Schuld dieses Beamten. Er hatte etwas für mich getan, ohne dass ich ihn bestechen musste. Würde ich ihn noch weiter belästigen, könnte er das als Undankbarkeit auffassen oder sich ärgern und mir ganz willkürlich das Visum wieder entziehen.

Donnerstag: Heiko und Jana wagten sich alleine in die Höhle des Löwen, ich wartete inwischen draussen und beobachtete das korrupte Treiben vor den Toren des Ministeriums. Da tauschte Geld den Besitzer, Hände wurden geschüttelt, Tränen flossen, alles sehr unterhaltsam und aufschlussreich. Nach anderthalb Stunden endlich kommen die beiden aus dem Gebäude, mit der Unterschrift im Pass. Die Freude war riesig! Offensichtlich hat es geholfen, dass sie eben so wenig Spanisch sprachen. Sie gingen als unschuldige Touristen durch und die Beamten vergassen sogar, das Bussgeld zu verlangen! Chévere!

Das ist die kleine Vorgeschichte zu unserer Abreise morgen in den Dschungel. Eine Bürokratie-Dschungel-Vorspann-Geschichte vor dem richtigen Dschungelfilm. Morgen!

Tuesday, July 17, 2007

Röbu beim Chimborazo


Ausflug von Röbu vom Wochenende 14. und 15. Juli zum Vulkan Chimborazo und Bahnfahrt zum Nariz del Diablo (Teufelsnase).

Zur unüblichen Zeit um 6:00 Uhr warte ich schon auf den Bus bei Annes Schule. Mit der ortsüblichen Verspätung kommt der Bus und nach einigem Hinundher geht es auch los. Ich bin der Senior unter all den jungen Leuten, aber was soll’s. Ich will auf 5000 m Höhe und rücke dementsprechend mit Rucksack an. Andere nehmen das lockerer mit der Reisetasche.
Es dauert fast eine Stunde um die Stadt nur schon in der Breitseite zu verlassen, so riesig gross ist Quito. Auf der Fahrt nach Ambato, also in den Süden von Quito, vorbei am Cotopaxi, einem bekannten Vulkan, erhalte ich einen ersten Eindruck von Land und Leuten: viel Schmutz und Unordnung, viele herumstehende Leute, viel Brachland, aber auch fruchtbare Felder bis hoch hinauf in die Berge.

Nun geht es hoch in die steilen Flanken der Hochtäler im Gebiet des höchsten Berges von Ecuador, dem Chimborazo. Auf zirka 4000 m (!) hören die kultivierten Felder auf und es wird karg. Mit dem Bus erreichen wir die untere Basishütte auf 4800 m über Meer. (Ich war zu Fuss noch nie höher, welche Schande!). Nach kurzem Aufstieg zur zweiten Hütte entscheide ich mich (unerlaubterweise) zum Durchmarsch auf zirka 5200 m. Es geht mir wirklich gut und die Höhe scheint mir heute nichts auszumachen. (Der Mont Blanc lässt von fern grüssen!) Nach dem Abstieg zeigt sich der Berg in seiner ganzen Pracht und macht mich schon ein bisschen auf den Gipfel.

Durch das Hinterland mit Leuten und Tieren jeglicher Art auf der Strasse fahren wir hinunter nach Riobamba. Nach dem Nachtessen besuche ich mit einer Schülergruppe eine Bar mit Disco, natürlich (die Beste) in der Stadt. Wir können’s nicht beurteilen, wir sehen nur diese.
Am Morgen regnet es. Trotzdem soll die Bahnfahrt stattfinden. Wir sind gespannt, denn die Organisation des Ausfluges ist nicht über alle Zweifel erhaben. In Guamote sehen wir, was uns wartet: eine Art Bus auf Schienen. Na, also los. Aber es geht wieder anders. Wir fahren mit dem Strassenbus nach Alausi, wo wir einen äusserst bunten und lebendigen Markt besuchen können. Da kann ich mich göttlich amüsieren, werde aber auch nachdenklich beim Anblick der Leute und ihrer Lebensweise. Aber ich tröste mich damit, dass mir ein Ecuadorianer, der bei den Vereinten Nationen arbeitet, versichert, dass die Landbevölkerung zufrieden ist mit ihrem Leben. Das nehme ich gerne an.

Ich frage nach dem Preis eines Apfels. Natürlich weiss ich, dass ich diesen mit 25 Centavos stark überzahle. Ich nehme ihn trotzdem (oder erst recht) und ergötze mich am Gelächter der Marktfrauen, nachdem ich ihnen den Rücken gekehrt habe. Noch wochenlang wird die Dummheit des Gringos in der Region zu lachen geben !!
Die abenteuerliche Fahrt mit dem Schienentrolleys ist wirklich erlebenswert (und gefährlich). Ich schätze, dass da in näherer Zukunft einmal ein Unglück passieren wird. Das Trassee ist häufig unterspült, es fehlen reihenweise Schwellen und wenn diese vorhanden sind, sind die Fixiernägel lose … und gefahren wird wie die Feuerwehr. Alles geht gut, und wir erreichen heraus aus der Schlucht wieder Alausi. Von da geht es weiter im vollgestopften Zug mit zugestiegenen Marktleuten nach Riobamba. Sie steigen irgendwo im >Judihui< aus und marschieren dann schwer beladen die steilen Bergflanken hoch. Die lange Busfahrt wird zur Tortur und mit mehr als zwei Stunden Verspätung kommen wir nach Mitternacht in Quito an. Im Bett geht es mir wie dem legendären Indianer, der sich nach seiner ersten Bahnfahrt für lange Zeit hinsetzen muss, um seinem mit neuen Eindrücken vollbeladenen Geist eine Chance zu geben, seinen Körper wieder einzuholen.


17. Juli Mit Anja in Quito

Anja gewöhnt sich langsam aber sicher an die riesige Stadt. Es ist viel Neues für das Mädchen, manchmal zu viel. Sie war vor allem anfangs oft müde und nicht motiviert, etwas zu unternehmen. Inzwischen muss ich sie aber zurückhalten, so viel Energie steckt in meiner Tochter. Sie macht sehr interessante Beobachtungen:
  • "Die gseh äue die Ghüderchüble nid, drum schiesse die aues a Bode."


Am Wochenende gingen wir zusammen in den Carolina-Park, der ziemlich nahe bei unserem Gastzuhause liegt. Wir genossen das von Hand angetriebende Rösslispiel (der Mann im braunen Shirt ist der Motor) und die vielen bewundernden Blicke, die unser rothaariger Lockenkopf erntete. Viele Ecuadorianer finden Anja besonders herzig, weil sie so hell ist. Vielleicht vergleichbar mit dem "Yö-Effekt", den dunklere Kinder in der Schweiz auslösen.
Da der Park genau unter der Flugschneise liegt, konnten wir aus nächster Nähe die landenden Flugzeuge beobachten.
Und wie so oft in Quito stiessen Welten aufeinander. Während Anja murrte und weinte, weil sie nicht ein zweites Mal auf das Karussell durfte, fragte mich ein kleiner Junge, kaum älter als Anja, ob er mir die Schuhe putzen dürfe...

Ich freue mich unglaublich auf den Dschungel! Und auch Anja ist eher ein Waldbewohner als ein Stadtkind. Nach dem Besuch im Park sah sie aus, wie seit Wochen ungebadet und war bester Laune. Müde zwar, aber zufrieden.
A propos Dschungel: Heute mussten wir uns zuerst noch durch den Bürokratieurwald kämpfen. Im Amt für Ausländer und auf der Schweizer Botschaft. Wir waren nicht erfolgreich und werden morgen nocheinmal antanzen, alles geht halt ein bisschen langsamer. Wenn ich nur auf Spanisch fluchen könnte... :-)
Voraussichtlich am Donnerstag machen wir uns dann auf den Weg nach Tena, wo wir übernachten werden. Dann wären wir am Freitag in unserem neuen Zuhause im Amazoonico...





Thursday, July 12, 2007

12. Juli 2007 Anja ist da!

Anja und Vätu sind da!
Heute Morgen um acht Uhr ecuadorianischer Zeit landete pünktlich die KLM-Maschine aus Amsterdam! Es ist so schön, Anja wieder bei mir zu haben.
Die beiden sind noch ein bisschen müde und schlafen ihren Jetlag aus...





























Nach einem ersten Nickerchen geht's auch schon etwas besser.
























Monday, July 9, 2007

Die ersten Eindrücke von Ecuador

Meine liebe Familie, liebe Freunde

Obwohl seit meiner Abreise schon mehr als eine Woche vergangen ist und hier in Quito für mich unglaublich viel passiert ist, versuche ich, dass Ganze für euch ein bisschen zusammenzufassen, damit ihr unser Abenteuer aus der Ferne etwas miterleben könnt.

29. Juni 2007

Mein Flug nach Ecuador war lang und eher langweilig, da wir der Nacht nachgeflogen, war es draussen immer dunkel. Die zweitletzte Zwischenlandung war in Guayaquil. Einige ecuadorianische Passagiere schrien zuerst AYAYAY, weil der Pilot etwas unsanft aufsetzte und dann erleichtert: ECUADOR, ECUADOR! Da wusste ich, das ich da war. In Ecuador.

Ich musste aber noch weiter nach Quito, blieb im Flugzeug sitzen und erschrak nicht schlecht, als die Flightattendant ankündigte, dies sei der Flug nach Amsterdam. Von da kam ich ja gerade, und diese 24 Stunden wollte ich nicht so bald wieder wiederholen. Allerdings stellte sich dann heraus, dass die erste Zwischenlandung dieses Fluges eben in Quito ist. Der Flug über die Anden war überwältigend, man war den Bergkämmen so nah, dass man die einzelnen Felder und Häuser sehen konnte. Die Anden sind bis weit über 3000 Meter über Meer bewirtschaftet, die Politik des vergangenen Jahrhunderts hat die Bauern dazu getrieben, immer in höheren Lagen anzubauen.

In Quito wurde ich von der Hostmama Maria Velez abgeholt und in mein vorübergehendes Zuhause in Portete, einer etwas besseren Gegend von Quito, geführt.
Quito war nach dieser elendlangen Reise einfach nur unglaublich laut und dreckig. Vor allem von der gesunden Bergluft merkte ich überhaupt nichts, auch wenn die ecuadorianische Hauptstadt auf 28oo müM. liegt.
Die Stadt hat viele Überraschungen bereit, vor allem für verwöhnte Schweizerinnen vom Lande wie mich. Hier ein paar Beobachtungen, querdurcheinander, über den Moloch Quito, im vollen Bewusstsein, dass sich Verallgemeinerungen so nicht vermeiden lassen.

Quito
  • Arm und Reich, Schönheit und Elend, Luxus und Schmutz sind hier extrem nah beisammen.
  • Quito stinkt, immer.
  • Die Leute sind überwiegend sehr freundlich, geduldig und hilfsbereit.
  • Ich bin im Schnitt einen Kopf grösser als alle anderen.
  • Die Busse kosten alle nur 0.25 Dolares, was sehr billig ist. Allerdings musst du dich in den Bus murksen, drängen, drücken. In diesen Gstungg werden dann auch die meisten Diebstähle gemacht, deshalb werden die Ecuadorianer nicht müde zu wiederholen, dass wir unsere Taschen und Rucksäcke fest vor dem Bauch umklammern sollen.
  • Ich stand eine Stunde in der Bank in der Warteschlange.Ein Mittagessen kostet etwa 6 Schweizer Franken.
  • Busse und Autos fahren so, dass du dich verwunderst, in Quito noch nie einen Krankenwagen gesehen zu haben. Grundsätzlich ist niemand angeschnallt und im Verkehr ist Rot einfach eine Farbe, wie Grün auch, vor allem nachts.
  • Vor und nach einer Fahrt mit einem Überlandbus bekreuzigen sich viele Ecuadorianer, was für mich inzwischen sehr verständlich ist.
  • Es hat viele bettelnde Kinder, zum Teil in Anjas Alter, daran kann ich mich nur sehr schlecht gewöhnen. Einige davon arbeiten als Schuhputzer, Strassenverkäufer oder Strassenartisten.
  • Die Höhenluft macht, dass ich mich ständig müde fühle.
  • Überall Hunde. Jaulende, bettelnde, winselnde, seltener zufriedene.
  • Alle Ausländer werden Gringos genannt. Oder Gringas, in meinem Fall. Und Gringas pfeift man nach.
  • Das schnellste Fortbewegungsmittel ist das Taxi. Nach Einbruch der Dunkelheit musst du den Preis verhandeln. Den Gringos wird natürlich immer zuerst ein Preis mit Touristenzuschlag angeboten.
  • Da der Flughafen mitten in der Stadt ist und die Flugzeuge immer fast zum Greifen nah sind, werden Gespräche regelmässig durch Fluglärm unterbrochen.
  • Geldscheine werden immer auf Fälschungen hin geprüft, sogar 5-Dollar-Scheine. Grössere Scheine werden erst gar nicht akzeptiert, die kleinen Läden haben sowieso meist zuwenig Wechselgeld.
  • Die Ecuadorianer sprechen sehr deutlich und langsam, was die Konversation mit Einheimischen sehr erleichtert.
  • Es gibt unglaubliche Jobs hier. Strassenwärter, Liftknopfbediener, Schulhaustüröffner, Einkäufeeinpacker, Verkehrseinweiser,...
  • Das Essen schmeckt wunderbar.
  • usw.

2. -6. Juli

Sprachschule

Die Schule ist sehr professionell und ich habe viel gelernt. Allerdings nicht nur Spanisch, weil die Studenten untereinander oft Englisch kommunizieren. Am Morgen ist Unterricht in Kleingruppen, am Nachmittag steht fast immer eine Aktivität an, wo man mit anderen Mitschülern die Umgebung von Quito für sich entdecken kann.

Die Schulglocke wird noch von Hand geläutet.












Montag: Erkundigungstour durch Quito. Geschichtlich interessante Altstadt, verschiedenste Menschen, Verkehrschaos, brennende Sonne,...

Dienstag: Mit der Teleférico (Gondelbahn) auf den über 4000 Meter hohen Pichincha. Endlich wieder einmal frische Luft! Und eine unglaubliche Sicht auf die 40km lange Andenstadt. Mit der Gondel in eine Kuh gefahren. (Das ist mir in der Schweiz nie passiert, und wir sind doch die Spezialisten für Kühe und Seilbahnen...)


Auf dem Pichincha
Im Hintergrund ist die 40km lange Stadt Quito


Mittwoch: Versuche, mich mit Internetscafes vertraut zu machen.

Donnerstag: Salsaunterricht und ecuadorianische Fiesta. Die Ecuadorianer sind sehr begnadete Tänzer. Wir standen im Kreis und schauten einander zum Tanzen an. Dabei machte immer wieder ein Becher mit undefinierbarem, warmem Alkohol die Runde. Es wurde viel gelacht! Hat mir sehr gut gefallen...

Freitag: Ich habe eine Mitbewohnerin bekommen, Roma aus... Italien? Nein, Kanada. Ich konnte ihr stolz Schule und Umgebung zeigen, da ich alles schon ein bisschen besser kannte. Am Abend gingen wir zu viert (ein Norweger, eine Amerikanerin, ein Kanadierin und eine Schweizerin) in Gringolandia, einem Touristenviertel, in den Ausgang. Wir versuchten, uns mit dem wenigen Spanisch in einem Restaurant durchzuschlagen und bestellten Tapas, eine spanische Spezialität. Später in einem Tanzlokal erschienen plötzlich mit Gewehren bewaffnete Polizisten und räumten den Saal. Allem Anschein nach wurden irgendwelche Schutzgelder nicht bezahlt.

Roma und ich. Mit Christian und vielen Tapas.




























7. Juli 2007
Otovalo

Am Samstag gingen wir zu viert, Roma, zwei Amerikanerinnen und ich, nach Otavalo, eine kleine Stadt etwa zwei Busstunden von Quito entfernt, die berühmt ist für ihren farbigen, volkstümlichen Markt. Die Busfahrt an und für sich war schon ein Abenteuer. Und dies zu beschreiben ist fast unmöglich. Hier ein Versuch:
Die grossen Busbahnhöfe der Stadt muss man suchen, da führen keine Wegweiser hin und sie sind rein äusserlich nicht als solche erkennbar. Fahrpläne existieren nicht. Die Busse sind angeschrieben, besser verlässt man sich jedoch darauf, was der Buschauffeur oder sein Helfer ausrufen. A Otavalo, a Otavalo!
Die Busse sind ziemlich neu, etwas älter oder uralt. Wir hatten einen ziemlich neuen. Die Fahrt geht los, wenn genug Leute im Bus sitzen. Eigentlich wäre es eine schnelle Fahrt, die Strecke nach Otavalo etwa Autostunde und mit dem rasanten Fahrstil der Chauffeure sollte man es in dreiviertel Stunden schaffen. Da aber immer wieder am Strassenrand angehalten wird, um Passagiere mitzunehmen oder abzuladen, dauert es viel länger. Also, richtig anhalten tun sie zwar nicht, nur langsamer fahren, und dann muss man halt aufspringen. Wie das die schwangeren Indianerfrauen machen, die am Rücken in einem Tuch noch ein Kleinkind tragen und beide Hände voller Marktwaren haben, ist bewundernswert. Wenn man aussteigen will, ruft man einfach: Gracias.
Im Bus werden Sachen verkauft, Chips, Wasser, Süssigkeiten, in unserem Fall versuchten sie sogar Sexfilme an den Mann, bzw. die Frau zu bringen. Während der Fahrt lief ein Horrorfilm, wie wenn die Fahrt an und für sich nicht schon genug abenteuerlich gewesen wäre. Alle Sitze waren besetzt und im Gang standen die Leute Schulter an Schulter. Als wir eine Polizeikontrolle passierten, kündigte dies der Chauffeur an und die stehenden Passagiere duckten sich. Kurz vor Otavalo wollte ein Passagier aussteigen, der offensichtlich mit dem Chauffeur bekannt war. Kurzerhand bog der Chauffeur von der Strasse ab und in einen Feldweg ein und brachte den Mann vor seine Haustür. Der Umweg kostete uns etwa 10 Minuten.
Der Markt von Otavalo ist wunderschön und farbenfroh. Es werden allerlei Handarbeiten, Lederwaren, Esswaren und Tiere verkauft. Den Tiermarkt haben wir verpasst, der ist immer frühmorgens. Eigentlich war ich darüber nicht so traurig, weil es dort für europäische Verhältnisse recht brachial zu und her gehen soll. (Die Hühner werden an den Füssen zusammengebunden und aufgehängt, damit man sie besser begutachten kann…). Die Verkäufer und Verkäuferinnen sind meist Indianer aus Otavalo, die einem die Ware zuerst zu einem für ecuadorianische Verhältnisse zu hohen Preis anbieten und die man runterhandeln muss. Mit der Zeit hat es richtig Spass gemacht, etwas Billiges spottbillig zu kaufen. Und die Indianer haben sich auch noch ins Fäustchen gelacht, dass sie der Gringa die Sachen so überteuert andrehen konnten. Für Fotos wollen die meisten Geld, deshalb habe ich hier nur ein sehr schlechtes Foto, das nicht annähernd die Farbenpracht und Materialfülle des Marktes in Otavalo wiedergibt.

Sonntag, 8. Juli 2007
Mindo – Ausflug in den Cloud Forest

Dieser Ausflug war von der Schule aus organisiert und führte in den Urwald der Anden, den Wolkenwald. Zuerst (nach einer ebenfalls wieder erwähnenswerten Busfahrt) machten wir einen Aufstieg durch den Urwald hin zu einem Wasserfall. Da wir viele Meter über Meer sind, macht sich die Höhenluft bei solchen Anstrengungen sehr bemerkbar. Ein Guide zeigte uns verschiedene Pflanzen des Dschungels, die meisten einfach riesig und üppig. Es gibt zum Beispiel Farnbäume. Und mein erstes gesichtetes Urwaldtier ist eine kleine behornte Spinne!
Beim Wasserfall konnte man 15 Meter in die Tiefe springen, in das kalte Wasser dieses Urwaldbaches. Ich tat’s natürlich und habe mir prompt die Lippen am harten Wasser aufgeplatzt. Aber das war’s wert. Es ist ein unglaubliches Gefühl, durch den Dschungel zu schwimmen!

Später besuchten wir eine Kolibrifarm und eine Schmetterlingsfarm. Die Kokons der letzteren sind wunderschön. Es gibt eine Art, die verpuppt sich so, dass der Kokon von Weitem wie ein Wassertropf aussieht, silbrig glänzend. Eine andere tarnt sich erfolgreich, indem sie ein Blatt imitiert. Die Schmetterlinge selber sind, wie wohl vieles im Urwald, einfach riesig. Der Grösste ist wie eine Männerhand und tiefblau.
Am Nachmittag gönnten wir uns noch das volle Touristenprogramm und „tubten“ auf grossen Reifen den Bach hinunter. Da es den ganzen Tag ein bisschen geregnet hat, (deshalb heisst es ja wohl Cloud Forest), war dieses Abenteuer ziemlich frostig. Aber auf jeden Fall wiederholenswert.

Dienstag, 10. Juli
Mitad del Mundo


Schulausflug zur Mitte der Welt, an den Äquator. (Natürlich mit touristischem Museum…)
Unglaublich! Ich wusste, wie die Corioliskraft funktioniert und ich wusste, dass Wasser auf der Süd- und Nordhalbkugel nicht gleich abläuft. Aber das so extrem auf so kleinem Platz zu erleben: unglaublich eben, physics work.
Wenn man Wasser genau auf dem Äquator ablaufen lässt, fliesst es senkrecht nach unten. Schiebt man das Wasserbecken nur zwei Meter nach Norden, läuft das Wasser im Gegenuhrzeigersinn ab, zwei Meter im Süden im Uhrzeigersinn.
Und was mich noch mehr erstaunt hat: Die Indianer, die hier vor 1000 Jahren gelebt haben, wussten das schon. Die wussten um diese Gesetze und konnten sogar den Äquator bestimmen! Das gefällt mir.Anderes gefällt mir weniger: Zum Beispiel wurden die Frauen und Kinder der Häuptlinge lebendig mitbegraben, wenn diese starben. Oder die Feinde wurden zu Schrumpfköpfen verarbeitet, Mund und Augen zusammengenäht, damit die Seele nicht entweichen kann. Oder die Indianerkinder mussten giftige Mahlzeiten essen, wenn sie nicht folgsam waren.