Endlich, morgen geht’s los!
Wir werden um 6.00 Uhr am grossen Busbahnhof sein und den erstbesten Bus nach Tena nehmen! Wir sind alle erleichtert. Denn bis es jetzt so weit war, ging viel Wasser den Amazonas hinunter.
Angefangen hat alles am Montag: Ich wollte mit Anja auf das Ministerium für Ausländer, weil ich dort unsere Visa zur Gegenunterschrift zeigen und den Heimatschein abgeben musste. So hat man mich jedenfalls in der Schweiz auf der ecuadorianischen Botschaft und auf der Gemeinde Walterswil instruiert. Ich nahm sicherheitshalber jegliche Dokumente mit, vom Impfausweis über Pass bis Arbeitsbestätigung und Flugticketnachweis.
Dort angekommen fragte ich mich durch, was sicher eine halbe Stunde dauerte, bis mir jemand sagen konnte, dass ich am falschen Ort sei. Sie drückten mir einen minuziösen Zettel in die Hand, kleiner als ein Feuerzeug, auf dem die Adresse einer Zweigstelle stand. Diese hat allerdings nur von 9 bis 14 Uhr geöffnet, wir waren also schon zu spät und verschoben das Ganze auf Dienstag.
Dienstag: Morgens um halb zehn machten wir uns erneut auf den Weg. Wir winkten einem Taxi und ich zeigte dem Fahrer den kleinen Adresszettel. Da er nicht lesen konnte, las ich ihm die Strassennamen vor, was er anfangs wegen meinem Akzent nicht verstand. Doch schliesslich waren wir am richtigen Ort, an einem Ort, wo ich niemals ein Ministerium für Ausländer erwartet hätte.
Im Gebäude warteten etliche Leute, auch wir gesellten uns dazu, als uns nach etwa 10 Minuten jemand erklären konnte, wo wir uns anstellen müssen. Wir warteten. Ich hatte ein Nummernticket bekommen, das allerdings nicht viel nützte, da mit meiner Nummer noch viele andere aufstanden und zu einem Beamten gingen.
Schliesslich fanden wir einen Beamten, der Zeit für uns hatte. Ich legte ihm alle meine Dokumente vor, zuversichtlich, dass die Sache bald abgewickelt sein würde. Schliesslich hatte ich ja alle Dokumente, die ich laut Botschaft haben müsste. Und ich wollte mit Anja noch in den Park, die lange Warterei hatte sie etwas quengelig gemacht.
Der Beamte meinte dann, mir fehlten die Kopien zum Pass. Ich erklärte ihm lachend, dass ich diese zu Hause gelassen habe, da ich ja das Original bei mir trüge. Das Argument liess er nicht gelten, er wollte Kopien von meinen Pass. Ich forderte ihn auf, meinen Pass doch schnell zu kopieren, was wiederum ihn fast zum Lachen brachte. Offensichtlich haben die ihm ganzen Ministerium keinen Kopierer und zudem sei es sowieso meine Sache, die Dokumente vollständig zusammenzutragen. (Wer nimmt schon eine Kopie des Passes mit, wenn er den Pass selber dabei hat? Die könnten pro Tag etliche Kopien verkaufen, zu einem sehr guten Preis, hätten sie einen Kopierapparat. Von der Verbesserung der Dienstleistung ganz zu schweigen…)
Ausserdem stellte sich heraus, dass ich ein Mäppli für meine Dokumente mitbringen müsse, wie sollten sie sonst die Papiere archivieren? Klar. Und das Ganze kostete 20 Dolares, die ich auch sogleich bezahlen wollte. Das ging aber nicht. Die müssten auf der Banco Internacional einbezahlt werden. (Ecuador ist ein sehr korruptes Land, Geld das nicht einbezahlt wird, verschwindet in die Taschen der Angestellten, liess ich mich später aufklären.) Erst durch mein Nachfragen rückte er mit der Kontonummer raus, die ebenfalls wieder auf einem Fresszettel wurde notiert. Auf dessen Rückseite war die Kopie eines anderen Passes, wo alle persönlichen Angaben eines Mannes aus Chile nachzulesen waren. Ich fragte mich unweigerlich, wem meine Kopien wohl später als Notizpapier dienen würden. Dann wollte ich ihm noch meinen Heimatschein geben, den er aber ganz und gar nicht brauchen konnte.
Inzwischen doch etwas verunsichert, ob ich wirklich alles richtig verstanden habe (da mir für ein schönes Beamtenspanisch doch einige Vokabeln fehlen) und etwas gereizt, weil ich die Sache mit dem Geld, den Kopien und dem Mäppli fast nicht fassen konnte, machte ich mich mit der zwar tapferen, aber mittlerweile „rauigen“ Anja auf den Weg zur Schweizer Botschaft.
Dort stellte sich heraus, dass ich den Heimatschein auf der Schweizer Botschaft abgeben müsse. Gott sei Dank! Ich füllte ein typisch Schweizerisches Dokument aus, mit Angaben zu fast allem aus meinem bisherigen Leben, eigentlich verwunderlich, wollten sie nicht noch meine Körpchengrösse wissen… Inzwischen musste Anja auf die Toilette, die im ganzen mehrstöckigen Gebäude mit lauter öffentlichen Ämtern nicht zu finden war. Ein Guard erklärte mir nachher, die nächste sei wohl im Park, etwa ein halbe Meile entfernt. Und eine Angestellte meinte, das Mädchen könne ja sicher noch ein bisschen verklemmen, schliesslich sei es ja schon sechs. Nein, drei! Meine Verzweiflung ob der ganzen Bürokratie liess sich nicht mehr so gut verstecken und man erbarmte sich unser. Wir durften durch die Hochsicherheitsschleuse in das Innere der Schweizerischen Botschaft und Anja konnte endlich aufs WC.
Schliesslich musste ich meine Pässe abgeben, damit sie diese kopieren konnten. Na, wenigstens hatten die Schweizer in Ecuador einen Kopierapparat. Ich fragte, ob sie gleich ein Doppel machen könne, dann wäre das für das Ministerium schon erledigt. Da erfuhr ich zum Glück, dass das Ministerium farbige Kopien bräuchte, alles andere würde nicht akzeptiert, darauf wäre ich ja nie gekommen.
Also machten wir uns auf die Suche nach einem Geschäft, das farbig kopieren konnte, und nach der Banco Internacional. Letztere fanden wir nicht und inzwischen war das Ministerium geschlossen, ich musste also morgen mein Glück erneut versuchen.
Mittwoch: Um 8.30 Uhr fand ich mich vor der Banco Internacional ein, ein Freund meiner Hostmother hatte uns dort hingefahren. Leider öffnete die Bank erst um 9.00 Uhr, d.h. um 9.10 Uhr gingen die Türen auf. Ein netter Guard erklärte mir, wie ich die Einzahlungen zu bewerkstelligen habe und es war wirklich keine grosse Sache.
Etwas später war ich erneut im Ministerium, zeigte alle meine Dokumente und wollte schon gehen, als der ecuadorianische Beamte erklärte, morgen könne ich die Pässe mit der Unterschrift abholen. Mich traf fast der Schlag. Jetzt war ich da, jetzt wollte ich die Unterschrift in meinen Pass. Ich begann zu diskutieren und argumentieren, bis er mich schliesslich zum Doctor Ponce schickte, der grosse Unterschriftenverteiler himself. Allerdings kam ich da nicht weiter, vor der Türe wurde ich von einem Guard abgewiesen. Schliesslich entschied ich mich, aufdringlich zu sein und einfach nicht vom Pult des Beamten zu weichen. Nach etwa einer Stunde hatte ich die Unterschrift und bedankte mich überschwänglich.
Um 11.00 Uhr war mein Treffen mit Heiko und Jana, meinen zukünftigen Teamkameraden, wir mussten uns beeilen. Wie froh war ich, als ich die beiden traf! Das hatte geklappt, juhui! Ich fragte sie, aus einer Intuition heraus, ob sie das Visum schon hätten. Ja, war die Antwort, sogar auf einem separaten Blatt mit Foto. Eben jenes Blatt, das man innerhalb eines Monats im Ministerium abgeben müsste. Wir handelten sofort, da eben dieses Ministerium ja um 14.00 schliessen würde. Wir gingen zur Bank, zahlten 20 Dolares ein, packten die Bestätigung und suchten ein Kopierladen, machten die 6 Farbkopien und fanden uns um 12.30 Uhr wiederum im Ministerium ein. Wir suchten „meinen“ Beamten auf. Er anerkannte alle Dokumente von Heiko und Jana, meinte aber ziemlich gelassen, heute könne er nichts mehr tun, der Doctor unterschreibe nicht mehr. Bei mir habe er nur deshalb eine Ausnahme gemacht, weil ich ein Kind hätte. Der Doctor befand sich aber noch im Haus, keine 20m von uns entfernt! Ich zog alle Register: wir machen Freiwilligenarbeit in Ecuador, wir wollen morgen abreisen, wir verdienen ein Jahr lang kein Geld, es pressiert, weil die Visumsfrist schon abgelaufen sei,… Oha! Das letztere Argument griff er auf: Das sind 200 Dolares Strafe, pro Person. Wir konnten es kaum glauben. Er sagte, wir sollen am Montag wieder kommen, vorher könne er nichts tun. Ich bettelte um eine frühere Frist, ich wollte nicht noch das ganze Wochenende in Quito auf unsere Abreise in den Dschungel warten. Wir könnten ja sonst morgen vorbeischauen, nicht dass er sich viel davon verspreche, und schon gar nicht vor 11 Uhr, dann arbeite der Doctor noch nicht.
Am Abend besprach ich die Geschichte mit Maria, meiner Hostmother. Sie meinte, wir hätten den Beamten wohl bestechen müssen! Aber nun sei es zu spät und wir sollen nach anderen Lösungen suchen. Schliesslich kontaktierte ein Freund unserer Hostmother einen seiner Freunde, der Anwalt war und uns helfen würde, sollte es am Donnerstag nicht mehr klappen. Maria schärfte mir ein, mich nicht mehr auf dem Ministerium blicken zu lassen. Aus ecuadorianischer Sicht stand ich in der Schuld dieses Beamten. Er hatte etwas für mich getan, ohne dass ich ihn bestechen musste. Würde ich ihn noch weiter belästigen, könnte er das als Undankbarkeit auffassen oder sich ärgern und mir ganz willkürlich das Visum wieder entziehen.
Donnerstag: Heiko und Jana wagten sich alleine in die Höhle des Löwen, ich wartete inwischen draussen und beobachtete das korrupte Treiben vor den Toren des Ministeriums. Da tauschte Geld den Besitzer, Hände wurden geschüttelt, Tränen flossen, alles sehr unterhaltsam und aufschlussreich. Nach anderthalb Stunden endlich kommen die beiden aus dem Gebäude, mit der Unterschrift im Pass. Die Freude war riesig! Offensichtlich hat es geholfen, dass sie eben so wenig Spanisch sprachen. Sie gingen als unschuldige Touristen durch und die Beamten vergassen sogar, das Bussgeld zu verlangen! Chévere!
Das ist die kleine Vorgeschichte zu unserer Abreise morgen in den Dschungel. Eine Bürokratie-Dschungel-Vorspann-Geschichte vor dem richtigen Dschungelfilm. Morgen!
Thursday, July 19, 2007
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