Obwohl seit meiner Abreise schon mehr als eine Woche vergangen ist und hier in Quito für mich unglaublich viel passiert ist, versuche ich, dass Ganze für euch ein bisschen zusammenzufassen, damit ihr unser Abenteuer aus der Ferne etwas miterleben könnt.
29. Juni 2007
Mein Flug nach Ecuador war lang und eher langweilig, da wir der Nacht nachgeflogen, war es draussen immer dunkel. Die zweitletzte Zwischenlandung war in Guayaquil. Einige ecuadorianische Passagiere schrien zuerst AYAYAY, weil der Pilot etwas unsanft aufsetzte und dann erleichtert: ECUADOR, ECUADOR! Da wusste ich, das ich da war. In Ecuador.
Ich musste aber noch weiter nach Quito, blieb im Flugzeug sitzen und erschrak nicht schlecht, als die Flightattendant ankündigte, dies sei der Flug nach Amsterdam. Von da kam ich ja gerade, und diese 24 Stunden wollte ich nicht so bald wieder wiederholen. Allerdings stellte sich dann heraus, dass die erste Zwischenlandung dieses Fluges eben in Quito ist. Der Flug über die Anden war überwältigend, man war den Bergkämmen so nah, dass man die einzelnen Felder und Häuser sehen konnte. Die Anden sind bis weit über 3000 Meter über Meer bewirtschaftet, die Politik des vergangenen Jahrhunderts hat die Bauern dazu getrieben, immer in höheren Lagen anzubauen.
In Quito wurde ich von der Hostmama Maria Velez abgeholt und in mein vorübergehendes Zuhause in Portete, einer etwas besseren Gegend von Quito, geführt.
Quito war nach dieser elendlangen Reise einfach nur unglaublich laut und dreckig. Vor allem von der gesunden Bergluft merkte ich überhaupt nichts, auch wenn die ecuadorianische Hauptstadt auf 28oo müM. liegt.
Die Stadt hat viele Überraschungen bereit, vor allem für verwöhnte Schweizerinnen vom Lande wie mich. Hier ein paar Beobachtungen, querdurcheinander, über den Moloch Quito, im vollen Bewusstsein, dass sich Verallgemeinerungen so nicht vermeiden lassen.
Quito
- Arm und Reich, Schönheit und Elend, Luxus und Schmutz sind hier extrem nah beisammen.
- Quito stinkt, immer.
- Die Leute sind überwiegend sehr freundlich, geduldig und hilfsbereit.
- Ich bin im Schnitt einen Kopf grösser als alle anderen.
- Die Busse kosten alle nur 0.25 Dolares, was sehr billig ist. Allerdings musst du dich in den Bus murksen, drängen, drücken. In diesen Gstungg werden dann auch die meisten Diebstähle gemacht, deshalb werden die Ecuadorianer nicht müde zu wiederholen, dass wir unsere Taschen und Rucksäcke fest vor dem Bauch umklammern sollen.
- Ich stand eine Stunde in der Bank in der Warteschlange.Ein Mittagessen kostet etwa 6 Schweizer Franken.
- Busse und Autos fahren so, dass du dich verwunderst, in Quito noch nie einen Krankenwagen gesehen zu haben. Grundsätzlich ist niemand angeschnallt und im Verkehr ist Rot einfach eine Farbe, wie Grün auch, vor allem nachts.
- Vor und nach einer Fahrt mit einem Überlandbus bekreuzigen sich viele Ecuadorianer, was für mich inzwischen sehr verständlich ist.
- Es hat viele bettelnde Kinder, zum Teil in Anjas Alter, daran kann ich mich nur sehr schlecht gewöhnen. Einige davon arbeiten als Schuhputzer, Strassenverkäufer oder Strassenartisten.
- Die Höhenluft macht, dass ich mich ständig müde fühle.
- Überall Hunde. Jaulende, bettelnde, winselnde, seltener zufriedene.
- Alle Ausländer werden Gringos genannt. Oder Gringas, in meinem Fall. Und Gringas pfeift man nach.
- Das schnellste Fortbewegungsmittel ist das Taxi. Nach Einbruch der Dunkelheit musst du den Preis verhandeln. Den Gringos wird natürlich immer zuerst ein Preis mit Touristenzuschlag angeboten.
- Da der Flughafen mitten in der Stadt ist und die Flugzeuge immer fast zum Greifen nah sind, werden Gespräche regelmässig durch Fluglärm unterbrochen.
- Geldscheine werden immer auf Fälschungen hin geprüft, sogar 5-Dollar-Scheine. Grössere Scheine werden erst gar nicht akzeptiert, die kleinen Läden haben sowieso meist zuwenig Wechselgeld.
- Die Ecuadorianer sprechen sehr deutlich und langsam, was die Konversation mit Einheimischen sehr erleichtert.
- Es gibt unglaubliche Jobs hier. Strassenwärter, Liftknopfbediener, Schulhaustüröffner, Einkäufeeinpacker, Verkehrseinweiser,...
- Das Essen schmeckt wunderbar.
- usw.
2. -6. Juli
Die Schule ist sehr professionell und ich habe viel gelernt. Allerdings nicht nur Spanisch, weil die Studenten untereinander oft Englisch kommunizieren. Am Morgen ist Unterricht in Kleingruppen, am Nachmittag steht fast immer eine Aktivität an, wo man mit anderen Mitschülern die Umgebung von Quito für sich entdecken kann.
Dienstag: Mit der Teleférico (Gondelbahn) auf den über 4000 Meter hohen Pichincha. Endlich wieder einmal frische Luft! Und eine unglaubliche Sicht auf die 40km lange Andenstadt. Mit der Gondel in eine Kuh gefahren. (Das ist mir in der Schweiz nie passiert, und wir sind doch die Spezialisten für Kühe und Seilbahnen...)
Auf dem Pichincha
Mittwoch: Versuche, mich mit Internetscafes vertraut zu machen.
Donnerstag: Salsaunterricht und ecuadorianische Fiesta. Die Ecuadorianer sind sehr begnadete Tänzer. Wir standen im Kreis und schauten einander zum Tanzen an. Dabei machte immer wieder ein Becher mit undefinierbarem, warmem Alkohol die Runde. Es wurde viel gelacht! Hat mir sehr gut gefallen...
Freitag: Ich habe eine Mitbewohnerin bekommen, Roma aus... Italien? Nein, Kanada. Ich konnte ihr stolz Schule und Umgebung zeigen, da ich alles schon ein bisschen besser kannte. Am Abend gingen wir zu viert (ein Norweger, eine Amerikanerin, ein Kanadierin und eine Schweizerin) in Gringolandia, einem Touristenviertel, in den Ausgang. Wir versuchten, uns mit dem wenigen Spanisch in einem Restaurant durchzuschlagen und bestellten Tapas, eine spanische Spezialität. Später in einem Tanzlokal erschienen plötzlich mit Gewehren bewaffnete Polizisten und räumten den Saal. Allem Anschein nach wurden irgendwelche Schutzgelder nicht bezahlt.
Roma und ich. Mit Christian und vielen Tapas.
Otovalo
Am Samstag gingen wir zu viert, Roma, zwei Amerikanerinnen und ich, nach Otavalo, eine kleine Stadt etwa zwei Busstunden von Quito entfernt, die berühmt ist für ihren farbigen, volkstümlichen Markt. Die Busfahrt an und für sich war schon ein Abenteuer. Und dies zu beschreiben ist fast unmöglich. Hier ein Versuch:
Die grossen Busbahnhöfe der Stadt muss man suchen, da führen keine Wegweiser hin und sie sind rein äusserlich nicht als solche erkennbar. Fahrpläne existieren nicht. Die Busse sind angeschrieben, besser verlässt man sich jedoch darauf, was der Buschauffeur oder sein Helfer ausrufen. A Otavalo, a Otavalo!
Die Busse sind ziemlich neu, etwas älter oder uralt. Wir hatten einen ziemlich neuen. Die Fahrt geht los, wenn genug Leute im Bus sitzen. Eigentlich wäre es eine schnelle Fahrt, die Strecke nach Otavalo etwa Autostunde und mit dem rasanten Fahrstil der Chauffeure sollte man es in dreiviertel Stunden schaffen. Da aber immer wieder am Strassenrand angehalten wird, um Passagiere mitzunehmen oder abzuladen, dauert es viel länger. Also, richtig anhalten tun sie zwar nicht, nur langsamer fahren, und dann muss man halt aufspringen. Wie das die schwangeren Indianerfrauen machen, die am Rücken in einem Tuch noch ein Kleinkind tragen und beide Hände voller Marktwaren haben, ist bewundernswert. Wenn man aussteigen will, ruft man einfach: Gracias.
Im Bus werden Sachen verkauft, Chips, Wasser, Süssigkeiten, in unserem Fall versuchten sie sogar Sexfilme an den Mann, bzw. die Frau zu bringen. Während der Fahrt lief ein Horrorfilm, wie wenn die Fahrt an und für sich nicht schon genug abenteuerlich gewesen wäre. Alle Sitze waren besetzt und im Gang standen die Leute Schulter an Schulter. Als wir eine Polizeikontrolle passierten, kündigte dies der Chauffeur an und die stehenden Passagiere duckten sich. Kurz vor Otavalo wollte ein Passagier aussteigen, der offensichtlich mit dem Chauffeur bekannt war. Kurzerhand bog der Chauffeur von der Strasse ab und in einen Feldweg ein und brachte den Mann vor seine Haustür. Der Umweg kostete uns etwa 10 Minuten.
Der Markt von Otavalo ist wunderschön und farbenfroh. Es werden allerlei Handarbeiten, Lederwaren, Esswaren und Tiere verkauft. Den Tiermarkt haben wir verpasst, der ist immer frühmorgens. Eigentlich war ich darüber nicht so traurig, weil es dort für europäische Verhältnisse recht brachial zu und her gehen soll. (Die Hühner werden an den Füssen zusammengebunden und aufgehängt, damit man sie besser begutachten kann…). Die Verkäufer und Verkäuferinnen sind meist Indianer aus Otavalo, die einem die Ware zuerst zu einem für ecuadorianische Verhältnisse zu hohen Preis anbieten und die man runterhandeln muss. Mit der Zeit hat es richtig Spass gemacht, etwas Billiges spottbillig zu kaufen. Und die Indianer haben sich auch noch ins Fäustchen gelacht, dass sie der Gringa die Sachen so überteuert andrehen konnten. Für Fotos wollen die meisten Geld, deshalb habe ich hier nur ein sehr schlechtes Foto, das nicht annähernd die Farbenpracht und Materialfülle des Marktes in Otavalo wiedergibt.
Mindo – Ausflug in den Cloud Forest
Dieser Ausflug war von der Schule aus organisiert und führte in den Urwald der Anden, den Wolkenwald. Zuerst (nach einer ebenfalls wieder erwähnenswerten Busfahrt) machten wir einen Aufstieg durch den Urwald hin zu einem Wasserfall. Da wir viele Meter über Meer sind, macht sich die Höhenluft bei solchen Anstrengungen sehr bemerkbar. Ein Guide zeigte uns verschiedene Pflanzen des Dschungels, die meisten einfach riesig und üppig. Es gibt zum Beispiel Farnbäume. Und mein erstes gesichtetes Urwaldtier ist eine kleine behornte Spinne!

Beim Wasserfall konnte man 15 Meter in die Tiefe springen, in das kalte Wasser dieses Urwaldbaches. Ich tat’s natürlich und habe mir prompt die Lippen am harten Wasser aufgeplatzt. Aber das war’s wert. Es ist ein unglaubliches Gefühl, durch den Dschungel zu schwimmen!
Später besuchten wir eine Kolibrifarm und eine Schmetterlingsfarm. Die Kokons der letzteren sind wunderschön. Es gibt eine Art, die verpuppt sich so, dass der Kokon von Weitem wie ein Wassertropf aussieht, silbrig glänzend. Eine andere tarnt sich erfolgreich, indem sie ein Blatt imitiert. Die Schmetterlinge selber sind, wie wohl vieles im Urwald, einfach riesig. Der Grösste ist wie eine Männerhand und tiefblau.
Am Nachmittag gönnten wir uns noch das volle Touristenprogramm und „tubten“ auf grossen Reifen den Bach hinunter. Da es den ganzen Tag ein bisschen geregnet hat, (deshalb heisst es ja wohl Cloud Forest), war dieses Abenteuer ziemlich frostig. Aber auf jeden Fall wiederholenswert.

Mitad del Mundo
Schulausflug zur Mitte der Welt, an den Äquator. (Natürlich mit touristischem Museum…)
Unglaublich! Ich wusste, wie die Corioliskraft funktioniert und ich wusste, dass Wasser auf der Süd- und Nordhalbkugel nicht gleich abläuft. Aber das so extrem auf so kleinem Platz zu erleben: unglaublich eben, physics work.
Wenn man Wasser genau auf dem Äquator ablaufen lässt, fliesst es senkrecht nach unten. Schiebt man das Wasserbecken nur zwei Meter nach Norden, läuft das Wasser im Gegenuhrzeigersinn ab, zwei Meter im Süden im Uhrzeigersinn.
Und was mich noch mehr erstaunt hat: Die Indianer, die hier vor 1000 Jahren gelebt haben, wussten das schon. Die wussten um diese Gesetze und konnten sogar den Äquator bestimmen! Das gefällt mir.Anderes gefällt mir weniger: Zum Beispiel wurden die Frauen und Kinder der Häuptlinge lebendig mitbegraben, wenn diese starben. Oder die Feinde wurden zu Schrumpfköpfen verarbeitet, Mund und Augen zusammengenäht, damit die Seele nicht entweichen kann. Oder die Indianerkinder mussten giftige Mahlzeiten essen, wenn sie nicht folgsam waren.
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